Das Frühstück war gar nicht so schlecht wie gestern behauptet wurde, es war durchaus reichhaltig und auch eine ganz gute Auswahl. Es gab so eine Art Schmalzgebäck, das war großartig. Was leider gar nicht großartig war, waren die Heiß-Getränke. Da stand ein Samowar mit Heißwasser und daneben Teebeutel – soweit okay – und Pulverkaffee. Der ging gar nicht. Also so richtig gar nicht. Das war glaube ich der schlechteste Kaffee meines Lebens. Dann dachte ich mir, okay, dann noch ein Tee hinterher, aber die Beutel waren alt. Auch gruselig. Naja, First-World-Problems…

Durch den Guss gestern Nachmittag und das Verschieben des Besuchs der Wolfsschanze auf heute morgen kam dann – wie vorher schon geahnt – gegen neun die Nachricht von Maik, dass er noch frühstücken würde, aber dann zeitnah an der Wolfsschanze wäre. Als ich den Flying Otter packen wollte, fing es an zu regnen. Super. Zum Glück gab’s einen offenen Anbau mit Dach, da konnte ich trocken weiter packen. Der Regen wollte nicht aufhören, also zog ich meine Regen-Klamotten an. Half ja nix. Und es kam natürlich wie es kommen musste, gerade angezogen, hörte der Regen natürlich auf.

Nördlich der Eisenbahnlinie ist der Anteil, der sich besichtigen lässt

Bei der Anlage angekommen wurde ich schon von Maik begrüßt. Schnell noch die Lenkertasche weggeschlossen und dann gingen wir auch schon direkt los, vielleicht konnten wir vor den Massen laufen, die da gerade busweise angekarrt wurden. Das funktionierte zum Glück ganz gut.

20. Juli 1944 – die Überbleibsel der Baracke

Seht nachdenklich machte mich der Ort, an dem am 20. Juli 1944 das Attentat durch Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg scheiterte. Da setzt im Kopf sofort die Was-wäre-wenn-Maschine ein. Welch denkwürdiger Ort.

Wir gingen weiter und er lässt sich eigentlich gar nicht richtig beschreiben, dieser Ort. Diese Massen an Beton, die in diesem Wald zerstört liegen wie das nicht mehr gewollte Spielzeug eines Riesen und die nun wieder von der Natur verschluckt werden, wirkten völlig surreal.

Bereits nach wenigen Bunkern bzw. deren Resten kam jemand auf uns zu, der dann auch sogleich herzlich von Maik begrüßt wurde. Es war Roman, Maiks Host aus Kaliningrad, der mittlerweile ebenfalls auf Radtour durch Masuren unterwegs war. Witzig, nun liefen wir also zu dritt durch die Anlage, während der Regen immer stärker wurde. Eine Zeit stellten wir uns in ein paar Bunkertrümmern unter, gingen dann aber weiter. Den Schwerpunkt hatten wir gesehen und im Restaurant ist es bestimmt wärmer. Da harrten wir dann gemeinsam aus, bis der Regen vorbei war. Romans Wetter-App meinte, dass das gegen zwei der Fall wäre. Im Restaurant konnte man derweilen durchaus interessante bis merkwürdige Menschen beobachten. Die Gesinnungsfrage durfte man dabei glaube ich nicht jedem stellen…

Maik, Roman und ich im Restaurant

Da Radfahrer immer Hunger haben und essen können, gab’s für uns alle drei noch eine ordentliche Nachspeise. Kurz vor zwei machten wir uns dann aber auf den Weg zu den Rädern. Die Regen-Klamotten konnten erstmal wieder verstaut werden. Relativ kurz und schmerzlos ging der Abschied von statten, war doch gestern schon alles gesagt worden, was gesagt werden sollte. Von dem Tor gingen drei Wege weg und es war tatsächlich so, dass wir drei jeder einen anderen davon nahmen. Dieses Mal gehe ich nun tatsächlich davon aus, dass wir uns sehr lange Zeit nicht mehr sehen werden. Mein Weg geht nun ohne weitere Umwege weiter Richtung Küste, Maiks Richtung Südosten ins Landesinnere und Romans mehr Richtung Osten.

In Rastenburg

Nach wenigen Kilometern war ich in Ketrzyn (Rastenburg), wo mich ganz unerwartet der Flying Otter im Stich ließ. Ich schaltete in einen höheren Gang, aber es ging leichter zu treten. Häh? Noch ein Gang, noch leichter. Und irgendwie passiert hier gar nichts mehr. Du trittst, aber die Kette bewegt sich Null. Ach, Du Sch… was das denn? Getriebeschaden? Erstmal googlen und YouTube Videos anschauen. Du hast ja einen Schutzbrief… Rufst Du da jetzt an? Hmm, um die Ecke wäre auch ein Fahrradladen… Hinschieben? Neue Idee: schau doch erstmal nach am Motor, vielleicht kannst Du ja was sehen… Facepalm – okay die Kette ist am Motor runter. Wieder drauf gesetzt und – ist das verrückt! – jetzt geht’s auch wieder. Mmh, aber warum ist das passiert? Die Kette sieht echt siffig aus, dabei hast Du die doch gestern morgen erst ganz gut gereinigt. War der Ritt durch die Pampa gestern Nachmittag wohl doch etwas viel. Naja, Hauptsache läuft erstmal wieder… Jetzt aber los, es sind immer noch 46 km oder anders formuliert: eigentlich stehst Du noch auf Start und es ist jetzt schon vier.

Sieht gut aus so eine Wolke, kostet aber jedes Mal ein paar Grad

Die ersten acht Kilometer waren ganz okay, aber dann gab’s zur Erinnerung nochmal 38 km nahezu gerade Strecke komplett gegen den Wind. In Ketrzyn zeigte ein Thermometer 13°C an. Gegen den Wind ist das nochmal ein gutes Stück weniger. Besonders eklig wurde es immer, wenn sich eine Wolke vor die Sonne schob. Ich hab gefroren wie ein Schneider.

Manchmal lohnt sich auch der Blick zurück

Witziges Erlebnis während dieser wenig witzigen Fahrt war, dass ich einen kleinen Trecker oder Minibagger überholt habe. Der fuhr so gut zwanzig und ich eher so vierundzwanzig. Haha, zack! Überholt!

Dramatik pur

Beeindruckend war während der Fahrt aber der Himmel, der eine durchaus dramatische Szenerie darbot. Ein, zweimal musste ich dann auch anhalten, um ein paar Fotos zu schießen. Als dann der kleine Trecker schon wieder ankam, wurde die Fotosession beendet – der überholt mich nicht!

Schön, aber kalt

Dann kam ich in Bartoszyce (Bartenstein) an und hielt noch einmal kurz am Supermarkt, wo ich direkt von zwei Mitmenschen begrüßt wurde mit der Aussage, dass sie jetzt dann fünf Zloty bräuchten. Aha. Hier sind zwei, wenn ich wieder rauskomme gibt’s den Rest – um mein Fahrrad brauchte ich mir derweilen keine Sorgen machen.

Im Hotel das übliche Procedere aus duschen und essen und dann den Blog schreiben. Jetzt sitz ich in meinen Zimmer am offenen Fenster und frage mich, wieso ich draußen immer Schüsse höre. Zwar in einiger Entfernung, aber trotzdem merkwürdig.

Das war jetzt der dritte unterdurchschnittliche Tag in Folge mit knapp 58 km. Aber ab morgen soll der Wind eigentlich weniger werden. Warten wir’s ab.

Gesamtstrecke: 63115 m
Gesamtanstieg: 365 m
Gesamtzeit: 09:22:47
Download file: Track_2019-09-18.gpx


1 Kommentar

Maik · 25. September 2019 um 19:24

Ha!!! Erster! :)) Endlich schaff ichs mal ein paar Worte hier zu lassen!

Du hast es ja schon im Artikel formuliert, an sich ist alles schon gesagt – trotzdem nochmal unterstreichend: Es war mir ein inneres Pedale-Kurbeln mit dir, hat Spaß gemacht sich immer wieder zu treffen und über Erfahrungen und Schwierigkeiten der letzten Tage auszutauschen! Ich wünsch dir noch eine reibungslose Restreise, viele spannende Eindrücke, wenig Wellblech und Sandgruben und ich hoffe es ist nicht deine letzte Radreise! 😉 Immer Kette rechts!

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