Sand im Getriebe

Es kam natürlich wie es kommen musste. Die zwei Kurzen nebenan waren zeitig wach und machten Alarm. Nun gut, halb acht geht ja noch. Richtig Lust hatte ich aber nicht aufzustehen.

Nach einem im Vergleich zu vorher vergrößerten Frühstück – ich hatte einen großen Müsliriegel, Kaffee! und einem Rest Sprite – ging’s dann wieder los. Hmm, die Polen sind einfach so los spazieren, ohne Tschüss zu sagen. Merkwürdig. Hätte ich jetzt anders erwartet, nachdem wir gestern noch zusammen am Feuer saßen.

Nach knapp 20 km war ich dann in Töstamaa, wo ich die Hoffnung hatte, zum zweiten Frühstück oder Mittag so ein Zimtschneckchen zu ergattern. Kauplus ja, aber Coop nein, Folge Zimtschnecke nein. Gut, gibt’s halt den Monte-Snack und ne Flasche Zuckerwasser. Rechtzeitig die Energiespeicher wieder auffüllen! Während ich draußen vor dem Laden stehe, werde ich von hinten aus einem Auto heraus angesprochen: Excuse me! Ach da schau her, das sind ja meinen polnischen Nachbarn von gestern bzw. heute morgen noch. Die haben sich noch mal entschuldigt, dass sie vergessen haben, mir eine gute Reise zu wünschen und holen das nun nach. Okay – damit hab ich jetzt nicht mehr gerechnet. Voll nett! Ich hab ihnen dann auch noch einen schönen Resturlaub gewünscht und dann rief auch schon der Asphalt wieder nach mir.

Landstraße, Landstraße, etc. pp. wenig neues, ein zwei nette Kirchen habe ich gesehen, aber das sollte es dann auch gewesen sein. Halt! Bis auf den Weihnachtsmann, denn hab ich nämlich auch gesehen:

Dann kam wieder mal ein Punkt der Entscheidung, Route nach Karte oder nach Schild? Da die Karte schon über die eine Stelle schrieb, dass die Straße da ganz unsäglich wäre, war die Entscheidung einfach, auch wenn das hieß, kein Wasser zu sehen. Ich dachte auch, dass dieser Weg kürzer wäre, und hatte die Hoffnung, in Pärnu noch zum Fahrradladen zu kommen. Heute morgen hattet ich entdeckt, dass da doch ganz schön viel Sand im Getriebe ist. Bei den Aufenthalten an den Stränden jetzt nicht so ungewöhnlich, aber ich wollte wissen, was ich da jetzt machen soll. Einfach reinigen oder irgendein Spray oder was weiß ich. Irgendwie stellte sich dann raus, dass die Strecke doch genauso lang ist. Schade. Aber wenigstens komplett asphaltiert und nicht wieder so ein Geröllmüll.

Echt schmaler Fahrradweg auf der Brücke

Ordentlich reingetreten und hat dann auch gepasst, viertel nach drei oder so am Fahrradladen, um vier sollte der zumachen. Kette wäre okay, aber zu viel Öl und reinigen sollte ich die mal, das wäre nicht so gut, wenn da so viel Sand drin ist. Aha! Na denn mach ich das doch mal! Hört sich jetzt auch nicht mehr ganz so crunchy an. Verrückt.

Von da aus waren es dann nur noch ein paar hundert Meter bis zum in der Stadt gelegenen Campingplatz. Also genau genommen vermietet Tamara ihren Garten zum Campen. Ist aber cool. Preis okay und es gibt eine Waschmaschine. Eine Ladung kostet zwar fünf Euro, die investierte ich aber gerne. Ist viel besser als mit der Hand zu waschen.

Zuerst war ich noch alleine, später kam dann noch ein Pärchen mit seinem Zelt. Clever wie ich nun mal bin, dachte ich mir, okay, Waschmaschine Dreiviertelstunde, perfekt, reicht easy zum Duschen. Doof, wenn einem dann bewusst wird, dass das Handtuch mit in der Maschine ist. Naja, ist ja noch frrüh an Tach. Irgendwann auch das alles erledigt, ab in die Stadt was essen. Leichter gesagt als getan. Alle Restaurants megavoll. Entweder kein Platz oder aber der Hinweis, dass das Essen ne Stunde dauern könnte. Nach langem Suchen bin ich jetzt bei Sweet Rosie – nein, das ist kein Puff – gelandet, im Irish Pub. Schnitzel und fertig. Karo einfach. Was soll’s.

Jetzt sitz ich hier, freu mich auf das Texten mit meiner Frau im Anschluss, über den gut siebzehner Schnitt auf die knapp 70 km heute und auch sonst des Lebens. Gute Musik, gutes Bier, was will man mehr?

Gesamtstrecke: 65691 m
Gesamtanstieg: 133 m
Gesamtzeit: 05:33:33
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Ringlein, Ringlein…

Da es in meiner Schlafschachtel ganz schön dunkel war, hab ich echt bis um Viertel vor neun gepennt. Das war gut! Vor der Abfahrt noch ein Foto, gestern war es zu nass dafür. Links der Eingang zur Schachtel, rechts das Bad:

Dann ging es los und nach gut fünf Kilometern gab’s auch einen Kauplus, so dass es Zimtschnecke, Kaffee und O-Saft zum Frühstück gab. Nach weiteren fünfzehn Kilometern war ich an der Fähre. Ich hätte auch direkt die Straße zur Fähre nehmen können, aber die Schnellstraße war doch arg befahren, so dass ich lieber die Alternativstrecke genommen hab. Zwei Kilometer mehr, fühlte sich aber einfach besser an. Beim Warten auf die Fähre stand ich hinter Ursula aus Frankfurt und ihrem Mann. Die Beiden sind mit dem Motorrad unterwegs, gegenläufig zu meiner Strecke. War noch mal ein nettes Gespräch, bevor es dann auf die Fähre ging.

Die Überfahrt ging recht schnell, vielleicht eine halbe Stunde, dann waren wir schon wieder auf dem Festland. Allen, die denken, dass ich immer nur Fähre fahre, sei gesagt: das dürfte die letzte gewesen sein. Denn jetzt geht’s einfach die Küstenlinie zurück bis nach Lübeck. Einziger Abstecher wird das Umfahren der russischen Exklave.

Danach ging es zügig weiter, lief echt richtig gut heute – bis ungefähr Kilometer fünfzig. Zuerst dachte ich noch, läuft Bombe, da fährst Du doch glatt noch weiter. Aber dann, wie Stecker gezogen, echt platt und megamüde. Noch drei Kilometer bis zum nächsten Kauplus und dann gab’s erstmal Zuckerwasser und Eis in die Figur. Danach ging’s wieder deutlich besser und die letzten zwölf Kilometer waren dann auch wieder ein Klacks. Kurz vor dem Ziel kann ich noch an einem Spielplatz vorbei – Batmans Freunde sind auch meine Freunde! Sehr nice!

Am Ziel angekommen, nee warte, wo ist denn jetzt dieser Platz? Erstmal bin ich etwas planlos am Strand umhergelaufen, aber nach zehn Minuten hab ich es dann zum Glück gefunden. Und keine Minute zu früh! Nach und nach kamen immer mehr Leute. Zuerst stand hierzu nur ein Zelt, jetzt vier Zelte, zwei Camper, echt voll. So denn, erstmal wieder schwimmen, die Ostsee war herrlich. Herrlich gierig, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat. Denn aus dem Wasser kam ich ohne meinen Ring zurück. Neunzehn Jahre und fünf Tage war er bei mir, jetzt sollte er auf Reisen gehen. Ringlein, Ringlein, Du musst wandern.

Nach der erfolglosen Suche half ich dann dem verzweifelten polnischen Vater nebenan, der alleine versuchte, ein Familienzelt auszustellen. Da hilft man doch gerne. Wobei mir danach in den Sinn kam, dass das vielleicht sich gar nicht so toll ist, wenn diese kleinen Kinder acht Meter neben mir schlafen und höchstwahrscheinlich unendlich früh wach sind. Naja. Irgendwas ist ja immer.

Heute waren es 65 km, für morgen ist ähnlich viel geplant.

Gesamtstrecke: 69237 m
Gesamtanstieg: 191 m
Gesamtzeit: 07:04:23
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Drei Minuten

Ein ziemlich ereignisloser Tag neigt sich dem Ende entgegen. Nach dem Aufstehen checkte ich zunächst das Regenradar, welches gestern noch der Meinung war, dass es heute erst gegen Abend regnen würde. Nun sagte es, dass es bereits mittags losgehen sollte. Hmpf. Danach wieder okay und dann abends wieder Regen. Na denn, das hilft in der Summe wenig.

Erstmal Frühstück, wenn man das schon nicht selber zubereiten muss, dann sollte man das erst recht nutzen. Interessant… Kein Orangensaft?! Was stimmt nicht mit Euch? Und statt Rührei gibt es Omelett. Aha. Wer auf Fischsalat steht, wird in Estland übriges bestens versorgt. Sowohl beim Frühstück im Hotel aber auch in den Supermärkten gibt es reichlich davon.

Alles gepackt, dann kann es ja losgehen. Dabei stelle ich fest, dass leider so ein Adapter von der einen Gepäcktasche verloren gegangen ist. Wie schade, jetzt wackelt es halt ein bisschen… Das Frühstück zahlt sich aus, es geht gut voran.

Das Regenradar wird regelmäßig gecheckt und so schaffe ich es, den Mittagsregen zu umgehen. Derweilen bin ich im Coop. Danach: weiter geht’s!

Zwischendurch komme ich an einer Brauerei vorbei, was hier Ölleköök heißt, was ich ganz charmant finde:

Spannend war dann eigentlich nur die Fahrt über den Damm rüber nach Muhu. Ca. 3 km gemeinsam mit den anderen Fahrzeugen auf der Schnellstraße. Da ist man wach!

Zackig rüber und gut. Passt. War dann aber auch froh, als ich auf der anderen Seite war. In Anschluss waren es dann nur noch wenige Kilometer zur Unterkunft. Regen-Klamotten hatte ich zwar an, aber es war noch nicht wirklich schlimm… Vielleicht geht’s ja glimpflich aus für mich.

Der Regen wurde etwas mehr, aber immer noch okay. Ich kam an der Unterkunft an und klopfte an der Tür, zeitgleich tat der Himmel seine Schleusen auf. Kein Witz, drei Minuten und ich wär halbwegs trocken auf meinem „Zimmer“ gewesen. Die Vermieterin war aber ganz freundlich und hat mit direkt angeboten, Sachen in ihrem Trockner für mich zu trocknen. An sich geht’s aber. Wobei ich finde, dass meine Regensachen nicht so richtig dicht sind bzw. nach den Regen echt noch lange nass sind. Merkwürdig.

Nach knapp 82 km bin ich in meiner Schlafschachtel angekommen, morgen geht’s zurück aufs Festland!

Gesamtstrecke: 78920 m
Gesamtanstieg: 210 m
Gesamtzeit: 07:16:57
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500 Miles…

… sind’s zwar noch nicht, aber zumindest über 500 Kilometer, die ich jetzt schon gefahren bin. Damit habe ich ungefähr ein Sechstel der Strecke bis Lübeck geschafft. Wenn das Wetter weiter mitspielt, sollte Lübeck funktionieren. Das Grüne Band hingegen finde ich von Tag zu Tag immer unwahrscheinlicher.

Der Tag startete ganz gewöhnlich eigentlich, nur dass ich beim Frühstück mal nicht alleine saß, das war ganz schön. Leider war es wieder supernass in der letzten Nacht, so dass das Packen einfach wieder länger dauerte. Aber auch das war dann irgendwann erledigt und es ging zurück auf die… Piste. Genau, erst musste ich ja wieder über dieses Drama zurück. Zum Glück nicht so weit wie gestern. Ätzend war’s trotzdem wieder.

Über die Monotonie der Landstraße will ich eigentlich gar nicht mehr schreiben, heute wäre eigentlich mal wieder der Gegenwind dran. Aber genug der Weinerei. Viel mehr habe ich heute wieder gemerkt, dass ich echt müde war und nicht richtig aus dem Knick kam. Okay, wir saßen gestern auch was, aber ich glaube, der eine Becher Tee gepaart mit nur einem Müsliriegel ist zu dünn. Vielleicht sollte ich auf einen zweiten upgraden…

Ein Faktor, der sicherlich auch nicht zu vernachlässigen ist, ist, dass es echt warm ist. Christian sagte gestern Abend, dass sein Auto zwischenzeitlich 31 Grad angezeigt hat. Ich merke das auch beim Flüssigkeitsbedarf. Die Menge der ersten Tage wird mittlerweile knapp.

Ohne Jacke und Schal ist aber keine Option – Sonne und (Fahrt-) Gegenwind

Nachmittags hielt ich dann an einer Kreuzung an, um was zu trinken, den Nacken auszurenken (der nervt seit Tagen) und zu navigieren. Da hielt ein Auto neben mir an. Auf schwäbisch wurde ich gefragt, ob alles in Ordnung sei. Ich bejahte dies, auch wenn ich sicherlich etwas kaputt aussah. Das ältere Ehepaar erzählte mir, dass sie mich schon zweimal vorher gesehen hätten, einmal auf der Fähre und das zweite Mal.. hab ich vergessen. Egal. Und jetzt wollten sie einfach mal wissen, auf was für einer Tour ich sei. So standen wir bestimmt eine Viertel Stunde am Straßenrand (direkt vor der Kreuzung – autsch!) und haben geratscht. Die Beiden kommen vom Bodensee und haben sich in Tallinn ein Mietauto genommen und fahren jetzt für drei Wochen so kreuz und quer durch Estland. Sie schenkten mir dann noch eine Flasche Wasser, die mir sehr gelegen kam, war es doch noch ganz schön weit zum nächsten Kauplus, was soviel wie Einkaufen im Sinne von Supermarkt heißt. Witzigerweise sind die Zwei heute in dem Hotel direkt neben mir. Danach fuhr ich dann noch gut fünfzehn Kilometer weiter nach Salme, wo noch ein Coop war, um die Wasservorräte aufzufüllen. Leider hatte der keinen Kühlschrank für Getränke, aber ich hatte unweit entfernt eine Imbissbude am Straßenrand gesehen, die werden schon was Kaltes haben… Hatten sie. Herrlich! Weil der Müsliriegel echt lange her war, nämlich so fünf Stunden, gab’s noch einen Burger dazu. Und wow, war der gut. Von dem Äußeren der Bude hätte man nie darauf geschlossen, aber das war echt richtig richtig gut. Nein, nicht nur weil ich echt hungrig war, sondern der war echt klasse!

Jalapeno-Burger bei Viking-Burger am Straßenrand

Danach noch ein Kaffee und dann geht es schon! Waren dann nur noch bummelig 17 Kilometer bis zum Hotel. Dort angekommen wieder flugs den Otter eingelagert und dann ab auf’s Zimmer. Wäsche waschen. Das ist jedes Mal der Horror. Ich bin sowieso schon platt, wenn ich ankomme, aber das kostet dann nochmal Kraft, alles durchkneten und auswringen und so.

Als Ausgleich ging’s danach in die Sauna. Gut achtzig Grad, wunderbar. Die Zeit vergeht mit der ganzen Nachbereiterei immer viel zu schnell, es war schon nach acht. Also ab in die Stadt, Express-Sightseeing und dann was essen. Kuressare hieß im Mittelalter Arensburg, weil der Deutsche Orden 1380(?) hier die gleichnamige Burg errichtete. Sehr sehr gut erhalten!

Das Museum hatte natürlich schon zu, aber auch von außen war das schon sehr interessant. Alles echt schick gemacht, sehr gepflegt! Nicht nur die Burg, sondern auch der Rest der (Alt-)Stadt – zumindest das Wenige, was ich gesehen habe. Zum Abendessen gab’s Pizza, zweiter Versuch in Estland und hat zum Glück funktioniert. Schade war nur, dass es da vor Mücken nur so wimmelte. Also, schnell gezahlt und weiter.

Nun klingt der Abend langsam aus, wiederum in einer Vinothek bei einem Cabernet Syrah. Für Hektik sorgte dann noch kurz eine Hornisse in dem Lokal, der ich einfach im Weg war.

Heute waren es dann nur 54 km, hat mir aber gereicht! Morgen wird tricky, die Vorhersage erzählt war von Regen gegen Abend. Drückt mir die Daumen!

Mühle an der Arensburg im Sonnenuntergang
Gesamtstrecke: 51315 m
Gesamtanstieg: 168 m
Gesamtzeit: 06:30:31
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Lakritzeis mit Himbeer-Glasur

Der Morgen startete mit der Erkenntnis, dass es in der Nacht unglaublich feucht war. Das ganze Zelt war klitschnass. Super, wenn man direkt an der Düne steht. Das Zusammenpacken nahm somit auch deutlich mehr Zeit in Anspruch. Alles war schön paniert. Als ich dann anfing, die Taschen am Rad festzumachen, fiel mir auf, dass ich vergessen hatte zu frühstücken. Schade.

Der Weg sollte laut Karte 100 km betragen, aber da ich am Tag zuvor davon schon 15 geradelt bin und ich an der einen Stelle abkürzen werde, dürften es knapp unter achtzig sein bis zum designierten Zeitplatz.

Zwischendrin genehmigte ich mir dann eben Abstecher an die Steilküste, da dies als lohnenswert beschrieben wurde. Mmh, geht so. Der Aussichtsturm war dann auch noch gesperrt. Lohnenswert war aber das späte Frühstück, was es dann dort für mich gab: Hot Dog, also genau genommen ein Brötchen mit Wurst. War aber gut.

Steilküste – leider langweilig

Danach zog sich die Strecke. Und zog sich. Die Abkürzung hatte zur Folge, dass ich eine Landstraße fuhr, auf der Du am Sonntag sehen kannst, wer am Mittwoch zum Kaffee kommt. Über fünf Kilometer ganz geradeaus. Komplett.

Im letzten Supermarkt vor dem Ziel machte dann eine ganz hervorragende Entdeckung: es gab hier Lakritzeis! Mit Himbeer-Glasur. Großartig!

Megalecker!

Dieser Motivationsschub war dann auch noch mal echt nötig, denn das letzte Stück zum Zeltplatz war wieder ein Schotterweg mit Querrillen, über 15 km lang. Das ist immer unfassbar anstrengend zu fahren, denn man muss nicht nur mehr Kraft aufbringen, sondern auch die ganze Zeit total konzentriert auf den Boden schauen, um zu sehen, wo jetzt am wenigsten Schlaglöcher sind. Ich dachte echt der Weg nimmt kein Ende.

Endlich angekommen am Platz, war dort bereits eine Mutter aus Lettland mit ihrem Sohn. Kein Problem, gehe ich an den zweiten Tisch. Plötzlich entdecke ich eine Hornisse und freu mich darüber, denn folglich sollte ja weniger von dem anderen Zeug in der Luft sein. Die Hornisse war dann aber doch etwas hartnäckiger und es stellte sich auch schnell raus, warum:

Kleines Hornissennest

Okay, frag doch mal nach, ob Du nicht vielleicht doch mit am anderen Tisch sitzen kannst. War kein Problem für die beiden, sehr gut. Kurz darauf traf dann noch ein Camper ein, wie sich herausstellte aus Jena. Christian und Jana und ihre vier Hunde stiegen aus. Es ergab sich dann eine wirklich nette Gesprächsrunde bis kurz vor Mitternacht. Dann waren wir alle hinüber, die beiden von einer Wanderung zu einer Nachbarinsel, wo Du über sechs Kilometer immer wieder hüfttief im Wasser wanderst und ich von meinen 78 Kilometern.

Gesamtstrecke: 74587 m
Gesamtanstieg: 545 m
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Mit der Fähre nach Saaremaa

Der heutige Tag fing eigentlich schon gestern an. Nachdem ich den Blog Eintrag fertig erstellt hatte, kamen langsam die Sterne raus und es war der Wahnsinn. Gegen ein Uhr früh ging dann der Mond auf in einer Art und Weise, die man sonst nur mit der Sonne in Verbindung bringt.

Mondaufgang

Wie immer um sechs das erste Mal wach, und – ihr kennt das schon – nein, zu früh. Schon gar nicht, wenn man bis um zwei Fotos gemacht hat.

Nach dem Aufstehen kurz gecheckt, wann die Fähre nach Saaremaa übersetzt und dann war klar, das wird ein entspannterer Tag, da nur noch eine Fähre um 17.30 Uhr fährt und es bis zum Anleger vielleicht 40 km sind. Angenehm. Damit ganz entschleunigtes Packen des Otters, ein bisschen umsortieren, passt.

Die 40 km hingegen waren leider wieder von Landstraßen geprägt, aber das bin ich mittlerweile gewöhnt und sehe auch die Vorteile, auch wenn’s eher stumpf ist. Problem war eher, dass ich ganztägig schön müde war. Es war einfach zäh heute. Ging nicht gut voran.

Was man immer wieder sieht – und was ich ganz lustig finde – ist, dass es auch für Einzelhäuser Bushaltestellen gibt. Die sind aber genauso liebevoll hergerichtet wie die für ein ganzes Dorf.

Dann war’s mal wieder so weit, ab auf die Fähre! Und wer stößt dazu, während ich so warte? Margaret, die ältere Dame von gestern. So fahren wir gemeinsam mit der Fähre und ratschen. Auf der Fähre gab’s dann endlich mal wieder Kaffee und… Franzbrötchen! Also so ähnlich, etwas dicker, aber großartig! Nach dem Anlegen trennen sich die Wege von Margaret und mir dann aber wieder relativ zügig. Da sie aber auch bis Riga will, kann ich mir aber gut vorstellen, das sich unsere Wege nochmal kreuzen.

Für die Nacht hatte ich mir wieder einen RMK Platz rausgesucht, der wiederum direkt am Meer liegen sollte. Überraschenderweise war dieser mal voll belegt. Okay, die sind jetzt auch nicht riesengroß die Plätze, aber bisher, wenn man vom ersten absieht, war ich immer alleine. An dem einen Platz ist nur eine Person und ich frage, ob ich mein Zelt mit dazu stellen kann. Die junge Frau heißt Trine (keine Ahnung, ob man das so schreibt) und ist eine Einheimische. Sie erzählt, dass sie viel wandert und versucht mir dann zu helfen, was meine morgige Unterkunft angeht – da sieht meine Karte nämlich nichts vor und es ist auch kein RMK Platz oder ein Hotel in der Nähe. Die Route werde ich wohl etwas umplanen müssen…

Vorher springe ich jedoch noch kurz in die Ostsee, nachdem ich mein Zeit aufgebaut habe. Zum Abendessen gibt’s dann wieder Meerwasser-Spaghetti, diesmal aber mit zusätzlichem Salz! Passabel.

Während ich hier sitze und anfange zu bloggen, raschelt es vor mir im Strandgras. Ich fange an mit der Taschenlampe zu leuchten und vier Meter vor dieser Tischbank sitzt ein Fuchs. Auf dem Bild erkennt man den leider nicht im Gras, wie ärgerlich. Er kommt dann näher und anstatt, dass ich dann erst ein Foto mache, verscheuche ich ihn. Depp. Interessante Fauna auf jeden Fall hier. Margaret hatte auch schon erzählt, dass sie einige Schlangen gesehen hat. Ich auch, wenn auch meist in so drei Millimeter Dicke auf der Fahrbahn. Gestern hatte ich eine auf der Suche nach Holz gesehen, aber auch da war ich wieder zu langsam mit dem Handy. War aber eine Blindschleiche glaube ich. (Ja, ich weiß, das sind keine Schlangen).

Zum Abschluss gibt’s den Sonnenuntergang:

Ach ja, knapp 63 km waren es heute dann trotzdem.

Gesamtstrecke: 76414 m
Gesamtanstieg: 195 m
Gesamtzeit: 07:27:40
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So geht das nicht!

Wieder früh wach. Aber diesmal war es keine senile Bettflucht, sondern der finnische Transporter oder Camper direkt unter meinen Fenster. Jeder der geladenen Hunde musste Gassi. Nacheinander. Und wer noch nicht dran war, jaulte fürchterlich. Das in der Rezension so gelobte Frühstück des Hotels erwies sich zwar als etwas karg, aber hey, besser als ein Müsliriegel.

Nach der Verpackerei ging es dann wieder los, so etwa halb elf. Aber erst nachdem ich mir die frisch gewaschene Hose mit Kettenöl eingesaut hatte! Klar! Der Weg führte am alten Bahnhof vorbei, der jetzt ein Museum ist. Er hatte 1907 mit 216m den längsten überdachten Bahnsteig Europas.

Genauso lang wie damals der Zarenzug. Von da aus ging es neben dem alten Gleis zum Fähranleger. Nach knapp zehn Kilometern war ich da. Ich hatte mich vorher nicht informiert, wann eine Fähre fährt, aber im Kartenbuch stand, dass alle zwei Stunden eine fahren würde. Wird schon schief gehen!

Ich hatte echt Glück! Als ich zum zwanzig nach elf ankam, hieß es, dass die Fähre in zehn Minuten ablegen würde. Super! Und Kostenpunkt waren auch nur €3,40. Echt fair! Die Fähre brauchte 75 Minuten und dann war ich auf der Insel Hiiumaa.

Es fing sehr schön an mit ein paar Alleen, ließ dann aber leider auch wieder stark nach. Am Ende bin ich im Schwerpunkt dann wieder auf Landstraßen gefahren. Ein nettes Hochlicht zwischendurch war das folgende ehemalige Pastorenhaus, das zwischen 1909 und 1997 für drei Perioden als Schule benutze wurde. Je nach angesagter Diktatur dann auch wieder nicht.

Kurz danach wurde ich per Fahrrad eingeholt von einer älteren Dame aus Recklinghausen. Sie hatte sich – das hört sich jetzt komisch an, soll’s aber gar nicht – gerade den Friedhof angesehen und sah mich vorbeiradeln. Da ich der erste Radreisende war, den sie seit ihrer Ankunft gesehen hatte, nahm sie die Verfolgung auf, um einen Plausch zu halten. Sie war nur einen Tag nach mir mit der Fähre von Helsinki aus angekommen. So fuhren wir die nächste Stunde zusammen und tauschten uns über unsere Touren aus. Sie fragte mich nach diesem und jenem Ort, ob ich da auch hinfahren würde oder schon war. Hmmm… okay. Keine Ahnung. Ich schau auf diese Karte und rechne wie weit ich wohl kommen könnte und suche mir zwei bis drei Möglichkeit als Unterkunft raus, je nachdem wie gut es läuft. Orte? Die haben alle recht … interessante Namen. Puuuh. Also ich fahr den Iron Curtain Trail. Das ist auf den Schildern die 13. Naja, sie fährt kreuz und quer und folgt keiner speziellen Route und Unterkünfte hat sie für manche Tage, aber nicht für alle. Auch ein abgefahrener Ansatz.

In Kärdla trennten sich dann unsere Wege, sie war an ihrem Ziel, ich hatte noch so dreißig Kilometer übrig. Die Zeit war auf jeden Fall im Flug vergangen, war es doch nach der Unterhaltung mit dem Typen von der Gepäckaufbewahrung in Tallinn das erste tatsächliche Gespräch, was ich seitdem geführt habe. In den Tagen zuvor habe ich keine zehn Wörter am Tag gesprochen, fiel mir dann auf. Krass.

In Kärdla hatte der Coop geöffnet und ich besorgte mir einen Mittagssnack. Wer behauptet, dass alkoholfreies Radler und Zimtschnecke nicht zusammen passen würden, hat übrigens KEINE Ahnung.

Im Anschluss ging es wieder ziemlich monoton weiter, aber Dank des mäßigen Windes ging es zügig voran. Nach einem Halt am nächsten Coop in Körgessaare und einem verdampfendem halben Liter Cola entschied ich mich, weil’s so gut lief, dazu, nicht in Körgessaare auf den RMK Platz zu gehen, sondern den nächsten in 9 km Entfernung anzusteuern, denn der las sich in der Beschreibung einfach besser. Gesagt, getan.

Bei der Ankunft stellte ich dann leider fest, dass ich da wohl zu viel hinein interpretiert habe. Er war mitten im Wald gelegen, das Meer fast 200 m weit weg. Echt schön, aber das passte so nicht. Ich wollte doch meine Spaghetti in Meerwasser kochen! Ich hab doch kein Salz dabei!

Viel schlimmer war aber die sofort loslegende Mückenarmada. Nee, gar keine Lust. So geht das nicht! Beurteilung der Lage ergab, dafür reicht mein Autan-Vorrat nicht, auch wenn die Flasche noch fast voll ist. Kurz die Karte online gecheckt, wo die nächste Möglichkeit wäre und siehe da, knapp sechs Kilometer, direkt am Meer. Da sollten weniger Mücken sein. Der Weg dahin war dann wieder so eine Schotter-Piste durch den Wald, aber meine Hoffnung lag auf dem Ziel. Und Bingo. Alles richtig gemacht, auch wenn ich jetzt morgen knapp sechs Kilometer extra vor mir habe. Direkt am Meer gelegen, aus dem Zelt kann ich nun sogar auf’s Wasser schauen.

Direkt nach der Ankunft bin ich aber erstmal ins Wasser hinein. Ja, genau, ich, und sogar freiwillig. War nicht mal kalt. Weit rein bin ich aber nicht. Das wäre dann doch etwas tollkühn für meine Verhältnisse. Man soll das ja auch nicht übertreiben. Ist aber auch tatsächlich komisch, wenn man komplett alleine an so einem Stand ist…

Nach einer kleinen Fotosession zum Sonnenuntergang fing ich dann nun an mit meinen Meerwasser-Spaghetti. Nachdem ich mir zuvor für Bestätigung über die Google Suche geholt hatte, ob das alles so geht wie ich mir das vorstelle, ging’s los. Fazit: wenn man Meerwasser für Nudeln nutzen möchte, sollte man sicherstellen, dass man am Meer ist und nicht an der Ostsee. Die ist etwas fad.

Die Mücken nerven hier zwar auch, aber sicher nicht so extrem wie im Wald und der Ausblick entschädigt sowieso für alles. Auch für die gut achtzig meist monotonen Kilometer.

Gesamtstrecke: 98326 m
Gesamtanstieg: 215 m
Gesamtzeit: 08:27:51
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Auf nach Haapsalu!

Wie gestern schon angekündigt wählte ich den überdachten Tisch als Nachtlager, bequem ist was anderes. Aber so blieb das Zelt trocken und die Morgenroutine lief auch viel schneller ab. Aufgewacht wie immer um sechs entschied ich mit stoischer Renitenz, dass das immer noch viel zu früh für mich wäre. Das zweite Mal wachte ich dann um kurz nach acht auf. Oha. Da steckte dann wohl doch noch etwas Müdigkeit in den Knochen nach dem gestrigen Tag…

Trotzdem kam ich fast eine halbe Stunde früher los im Vergleich zum Tag zuvor. Kein Zelt, kein Müsli mit Milch, kein Abwasch. Aha.

Wald, immer wieder Wald. Von Meer habe ich heute fast nichts gesehen. Entweder lag es daran oder daran, dass der Regen vorbei war – ich hatte kaum Gegenwind! Sehr angenehm, so kam ich echt gut voran und hab den E-Antrieb nur kurz bei zwei, drei Anstiegen hinzugeschaltet.

Nach gut zwanzig Kilometern hielt ich an der Tourist Information in Nova und konnte dort nach drei Tagen den ersten Kaffee genießen. Herrlich! Dazu gab’s dann noch einen kleinen Brownie. Direkt daneben war die Feuerwehr, die wohl Tag der offenen Tür hatte oder so. War auf jeden Fall einiges los, die Kinder konnten mit einer Spritze einen Ball von einer Halterung herunter schießen.

Wenige Kilometer weiter ging es dann in eine Art Naturschutzgebiet oder sowas. Reichlich Wald, sehr schön! Mittig sollten dann wieder Campingplätze vom RMK liegen, die entdeckte ich dann später auch, wirklich traumhaft schön gelegen. Allerdings machten sich auch langsam die Mücken bemerkbar, der Regen gestern war wohl gut für die Viecher. Die Strecke durch den Wald betrug etwa elf Kilometer. An sich okay, aber die Bodenbeschaffenheit war heftig! Wie von einer Planierraupe gewalzt waren es durchgehende Bodenwellen in dreißig Zentimeter Abstand! Für die Physiker: das Stichwort ist Resonanzkatastrophe. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so durchgerüttelt wurde!

Im Anschluss gab es im Schwerpunkt wieder Landstraße und Landstraße und… Landstraße. Ging aber somit weiter gut voran.

Da ich alle Akkus laden und Wäsche waschen wollte, entschied ich mich dazu, eine feste Unterkunft zu buchen. Dank des immer verfügbaren LTE-Netzes war das auch von unterwegs aus kein Problem. So stand ich mitten im Nirgendwo an der Landstraße und buchte ein Zimmer in Haapsalu, nachdem klar war, dass ich es dahin auch vor Einbruch der Dunkelheit schaffen würde.

Zum zwanzig nach fünf kam ich dann dort auch an und konnte mein Zimmer beziehen. Retro-Charme! Wird im Hotel auch als Nostalgie-Zimmer vermarktet. Keine Klimaanlage gehört wohl mit zum Konzept. Naja, in der Ecke steht wenigstens ein Ventilator. Also Akkus ans Netz, sprich Rad, Handy und Powerbank und dann Sachen waschen. Schade, dass das Waschbecken kein Stöpsel hat. Mal sehen, ob das bis morgen alles wieder trocken wird. Irgendwann muss ich mal auf einen kommerziellen Campingplatz, der eine Waschmaschine hat…

Und dann ging es ab in die Stadt. Nach vielleicht zehn Minuten erreichte ich die Altstadt. Das erste Restaurant, was ich über TripAdvisor rausgesucht hatte, konnte oder wollte keine weiteren Gäste mehr aufnehmen. Hmpf. Okay, gegenüber ist eine Pizzeria. Etwas fad, aber bringt bestimmt genug Kalorien für morgen.

Im Anschluss bin ich noch etwas herum gelaufen und hab mir die Ruine oder Reste der Kathedrale angeschaut. Mitten in der Stadt, beeindruckend!

Jetzt sitz ich in der Veinbaar bei einem Rioja, schreibe Euch diese Zeilen und freu mich über die fast 83 km, die ich heute geradelt bin.

Gesamtstrecke: 78457 m
Gesamtanstieg: 244 m
Gesamtzeit: 07:41:02
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Zu langsam

Der Tag fing mit einem großartigen Blick aus dem Zelt an. Durch die Bäume hindurch konnte ich das Meer sehen!

Das erste Mal war ich um sechs wach, entschied mich aber dafür, dass das deutlich zu früh sei und schlief weiter bis um halb acht. Die Quittung dafür gab es dann später.

Während der ersten Morgenroutine stellte ich direkt fest, dass sich mein alter Teller mit Deckel, den ich in Südafrika schon genutzt hatte, etwas gehärtet hatte. Die Weichmacher sind wohl raus. An sich nicht schlimm, doch mein Vorgehen aus Südafrika konnte ich nicht mehr richtig verwenden: Müsli, Milchpulver und Wasser zusammen rein, Deckel druff, schütteln, fertiges Müsli mit Milch. Ging gerade eben gut. Beim Reinigen bewies ich dann eine beeindruckende Lernresistenz, indem ich nun heißes Wasser einfüllte, den Deckel wieder druff setzte und erneut schüttelte. Schöne Idee, mit heißem Wasser aber doof. Die Hälfte des dreckigen Spülwassers verteilte sich über den Tisch, da der Druck innerhalb des Behälters scheinbar zu groß wurde und der Deckel aufgrund der zu wenig vorhandenen Weichmacher nicht richtig saß.

Insgesamt dauerte alles zusammen genommen – also Frühstück zubereiteten, Zelt abbauen, alles wieder in die richtigen Taschen packen, den Otter wieder beladen – viel zu lange. Losgekommen bin ich erst um zehn nach zehn. Zwei Stunden vierzig. Krass. Vielleicht sollte ich das Müsli durch Müsliriegel ersetzen. Weniger Platzbedarf, kein Abwasch.

Die ersten Kilometer liefen ganz passabel. An der „Treppe“ hielt ich kurz an. Jene welche heißt so, weil der Bach dort über diverse Treppenstufen läuft. Idyllisch! Direkt in der Nähe gab’s dann auch noch einen Geocache, der schnell gefunden war. Mein erster Cache in Estland!

Ein Großteil der Strecke heute lief entlang von großen Hauptstraßen, im Vergleich zu Deutschland irgendwas zwischen Landes- und Bundesstraße. Wenn es keinen Radweg daneben gab, gab es zumindest einen Radstreifen am Rand. Meist knapp fünfzig Zentimeter breit und im allgemeinen hielten die Autofahrer noch zusätzlichen Abstand, so dass das ganz okay lief. Da der Wind natürlich wieder alles gab und somit an meinen Segelohren echt laut war, hat mich dann das eine oder andere Fahrzeug trotzdem ganz schön überrascht. Und so ein voll beladener Holz-Transporter inklusive Anhänger, der dann mit achtzig, neunzig Sachen an dir vorbeirauscht, ist schon respekteinflößend!

In der Zwischenzeit hatte ich dann einen Abschnitt, der komplett über Schotter lief. Das ist echt unangenehm darüber zu fahren. Da ich wusste, dass es nachmittags regnen sollte, kürzte ich dann ab, um – wenn es gut läuft – vor dem Regen an dem Lagerfeuerplatz zu sein. In Paldiski legte ich dann eine Pause am Supermarkt ein, wo ich meine Vorräte auffüllen konnte. Zum Mittag gab es dann direkt auf dem Parkplatz ein Chicken-Mayo-Sandwich. Lecker!

Es gab dann neben der unendlich langweiligen Straße nur wenig bemerkenswertes. Schön war ein altes Kloster, das zur Hälfte wieder genutzt wird als Hotel. Im Garten wurde gerade eine Trauung oder so vorbereitet.

Das Gebummele am Morgen sollte sich nun rächen. Mitten auf einer langen Straße fing es an zu regnen. Hmmm, früher als ich über das Regenradar erwartet hatte. Nur leicht, aber wer weiß… ab in die Regen-Klamotten! War dann aber nix längeres, nach ein paar Minuten war der Spuk vorbei. Das Wetter hielt sich dann noch für eine Stunde oder so und ich dachte wirklich, dass ich es trocken zum Ziel schaffe. Aber auch das Zuschalten des E-Antriebs half nicht. Pustekuchen! Es ging los, und zwar richtig. Ziel grob anvisiert reichte nun nicht mehr, die Plätze vom RMK, also der estnischen Forstverwaltung, liegen doch etwas versteckt. Erkenntnis ist, dass Touchdisplays bei Regen ihre Schwierigkeiten haben. Auch der Fingerabdrucksensor kann mit Fingern, die wie nach zwei Stunden Vollbad aussehen, wenig anfangen. Der Regen wurde noch stärker, ein richtiger Platzregen war es jetzt. Endlich kam ein Baum, unter dem ich halten konnte, um zu navigieren. Ich war schon zu weit gefahren! Also wieder einen halben Kilometer zurück, da war der Platz. Hätte ich ihn gleich entdeckt, wäre die ganz schlimme Husche an mir vorbeigegangen.

Jetzt sitze ich hier, hab Feuer gemacht, das leider zu weit weg ist, als dass es mich wärmen würde oder ich meine Sachen darüber trocknen könnte und habe gegessen. Heute mal nicht Asia-Plastiknudeln, sondern Carbonara, quasi Plastiknudeln deluxe. Ich warte eigentlich auf das Ende des Regens, aber das Regenradar hat noch mal nachgelegt. Aus ursprünglich 18.30 Uhr ist derzeit irgendwas Richtung Mitternacht geworden. So wird wohl dieser überdachte Tisch hier mein Nachtlager werden, dann bleibt das Zelt wenigstens trocken.

Ein wenig erhebender Tag geht zu Ende, an dem ich aber zumindest fast 70 km gefahren bin.

Gesamtstrecke: 66939 m
Gesamtanstieg: 257 m
Gesamtzeit: 06:11:23
Download file: Track_2019-08-23.gpx

„The wind is always against you!“

Mit diesen Worten verabschiedete mich der Typ von der Gepäckaufbewahrung im Hotel. Und er sollte recht behalten.

Der Morgen präsentierte sich mit Sonnenschein, wie der Blick aus dem Hotelfenster zeigte:

Die Fahrt aus Tallinn heraus lief ohne größere Probleme, der Weg war gut zu finden und kurz vor dem Stadtrand sah ich dann auch zum ersten Mal das europäische Radroutenzeichen für den Iron Curtain Trail, was mich mit absoluter Vorfreude auf das, was da vor mir liegt, erfüllte.

Insgesamt ist Tallinn recht modern und man kümmert sich um ein gutes Stadtbild. So werden alte Gebäude nicht einfach abgerissen, sondern clever modernisiert, so dass sich Neu und Alt ganz gut die Waage halten.

Nachdem ich die Hauptstadt verlassen hatte wurde es immer ruhiger und einsamer. Dem Weg konnte ich immer noch sehr gut folgen, alles asphaltiert – hervorragend zu fahren. Nach einer Weile kam ich an eine Kreuzung, an der ich aussuchen konnte, ob ich dem Iron Curtain Trail gemäß Kartenmaterial folge oder aber zur Hauptstraße zurückkehre, die dann als Estnischer Küstenradweg Nummer 1 deklariert war. Der Bauch sagte Hauptstraße, der Kontrollfreak sagte: „Nein, nein, Thomas, Du musst das schon ordentlich machen, so wie es die Karte sagt!“ Also auf geht’s!

Die Wege wurden nach ein paar Kilometern dann Pfade und hatten durchaus was trailmäßiges – wenn man denn zu Fuß unterwegs ist. Ich kam an einen Weg, der ziemlich steil hoch ging. Fahren ging nicht, dass war direkt klar. Okay, also schieben. Bis zur Hälfte, weiter ging’s nicht. Der Bolide wiegt dann doch halt was an die fünfzig, sechzig Kilo. Na gut, dann also Gepäck anschnallen, hochtragen und dann das Gefährt hinterher. Nachdem ich die ersten beiden Taschen oben hatte, könnte ich dann sehen, dass danach direkt die nächste Anhöhe wartete. Hab ich verstanden. Also komplett retour.

Sieht nicht nach viel aus, sind vielleicht 12 Meter, aber bestimmt 50 Grad im Winkel.

Komplett retour hieß dann am Ende etwa 12 km Umweg oder aber 12 km für nichts. Als ich an der Hauptstrasse ankam war das Bild wieder besser, alles asphaltiert, schön stumpf geradeaus. Nach wenigen Metern hatte ich das Gespräch an der Gepäckaufbewahrung wieder vor Augen. „In Estonia we say, the wind is always against you!“. Absolutely! Keine Ahnung wie viele Windstärken das waren, aber ich hatte Mühe und Not auf 10 Stundenkilometer zu kommen. Somit war dann auch schnell klar, dass ich mir mal überlegen sollte, wo ich denn nächtigen will, da das Etappenziel gemäß Karte unerreichbar war. Wenn ich ehrlich bin, war das aber auch ohne den Wind schon vorher klar. Ursprünglich hatte ich mal für den Tag einen Campingplatz in 35 km Entfernung rausgesucht, hatte dann aber spekuliert, dass ich vielleicht doch weiter kommen würde. Am Ende waren es dann ungefähr 59 km, die ihr Ende an einem der öffentlichen Campingplätze der estnischen Forstwirtschaft fanden, der wirklich sehr schön gelegen ist. Mein Zelt steht vielleicht vierzig Meter vom Wasser weg, traumhaft.

Der Preis für den kostenlosen Stellplatz wäre dann wohl das Plumpsklo – was aber dafür sorgt, dass der Platz ein Sternchen von der Forstverwaltung bekommt, denn fast alle anderen Plätze haben angeblich nicht mal das.

Leider ist die Aufzeichnung des Tracks erst nach Tallinn und auch erst nach dieser Anhöhe, bei der ich dann umdrehen musste, gestartet. Warum? Keine Ahnung… Vielleicht habe ich auch in der Aufregung einfach vergessen, das GPS zu aktivieren. Könnte schon sein. Wer weiß…

Gesamtstrecke: 21330 m
Gesamtanstieg: 120 m
Gesamtzeit: 02:25:04
Download file: Track_2019-08-22.gpx

Von Helsinki nach Tallinn

Überraschenderweise hatte ich auf der Überfahrt von Travemünde nach Helsinki dann doch immer mal wieder LTE, obwohl es doch immer noch einige Kilometer bis zum Festland waren. Folglich gab es dann doch ein, zwei Statusupdates.

Die Überfahrt lief absolut reibungslos, die Bahn ist im Vergleich deutlich ruckliger. Das Ablegen um 03.00 Uhr habe ich schon gar nicht mehr mitbekommen, zu lang war der Tag und ich in der Folge zu müde.

Der Seetag war ganz entspannt, zuerst habe ich bis mittags geschlafen, danach habe ich den restlichen Tag auf dem Sonnendeck verbracht – natürlich im Schatten. Dank des unerwartetenden Internetempfangs konnte ich mir schon mal die Strecke in Helsinki raussuchen, denn die Fähre aus Travemünde legt in einem anderen Hafen an als die, die dann nach Tallinn fährt. Dazwischen sollten 22 km liegen.

Am Anlegemorgen habe ich dann Mareen wiedergetroffen, sie hatte in der Zwischenzeit an ihrer Masterarbeit gewerkelt. Nach einem Kaffee zum Frühstück erreichten wir dann auch schon Helsinki um 09.00 Uhr Ortszeit.

Auf dem Deck, auf dem die Fahrräder standen, gesellte sich dann Paul aus Berlin dazu, der in Finnland Richtung Norden will. So fuhren wir dann zu dritt die Rampe von der Fähre runter, der erste Test für die Bremsen. Das war schon etwas spannend, da ich sicherlich nicht sehr weit weg vom Systemgewicht von 160 kg bin. Das Gepäck habe ich vorher nicht gewogen, somit also keine Ahnung wie „schwer ich bin“.

Die ersten fünf Kilometer fuhren wir zu dritt, dann verließ uns Paul und bog zu seinem Campingplatz ab. Mareen und ich fuhren noch weitere siebzehn Kilometer durch Helsinki zusammen bis sich auch unsere Wege trennten. So denn, ab jetzt alleine weiter. In der Nähe des Hafens konnte ich dann noch einen Geocache finden, so dass ich das Souvenir einheimsen konnte. Gleichzeitig war dies mein nördlichster Cache. Sehr schön!

Helsinki selber hat mich nicht wirklich überzeugt. Für eine Hauptstadt zwar relativ ruhig – und definitiv großartige Radwege! – aber schön? Nicht wirklich. Oder Google hat mich nicht durch schöne Ecken geleitet. In Nähe des Geocaches waren zwar ein paar schöne Häuser, aber in der Summe…

Vor dem Check-in auf der nächsten Fähre gab’s dann noch einen Hotdog zum Mittag. Bad Bad Boy Hotdog! Echt gut! Die Bude stand neben einem… hmmh… Kunstwerk. Es wurde auf jeden Fall unglaublich oft fotografiert (die Leute haben jetzt alle den Flying Otter mit auf den Bild). So denn auch von mir:

Beim Warten auf die Fähre hab ich dann noch ein älteres Motorradfahrerpärchen aus Süddeutschland getroffen, die einmal die Ostsee umrunden. Die Fähre nach Tallinn hat mich dann doch noch mal etwas sprachlos werden lassen. Die Fähre war nochmal ein gutes Stück luxuriöser als die erste. So gab es sogar einen Burger King an Bord?!

Nach zwei Stunden erreichten wir dann Tallinn, die zweite europäische Hauptstadt an einem Tag, das hat schon fast amerikanische Züge… Der erste Kontakt mit Tallinn war ganz anders als Helsinki, denn beim Herunterfahren von der Fähre war ich mittenmang zwischen den LKWs. Der Adrenalinlevel war ordentlich! Insgesamt stellte sich Tallinn sofort als wuseliger im Vergleich zu Helsinki heraus. Das Hotel war dann schnell gefunden, direkt am Rande der Altstadt gelegen. Bis dahin war aber mehr schieben als fahren angesagt, denn hier gibt’s nicht so schöne Radwege und alles ist etwas enger.

Als erstes wurde dann die bisherige Wäsche im Waschbecken gewaschen. (Ich bin sehr gespannt, ob das bis morgen früh trocknet…) Dusche und los in die Altstadt!

Erster Eindruck: gefällt mir sehr gut! Die Altstadt ist wirklich noch recht mittelalterlich geprägt und dass es immer dunkler wurde, hat nur das Ambiente verbessert:

Auf dem Bild sieht man das Parlament, sehr schick! Nach dem Besuch weiterer Punkte zum Fotografieren hielt ich nun Ausschau nach etwas zu essen. Um den Rathausplatz herum war alles schlecht bewertet und vor jeden Lokal standen Koberer, die einen in das jeweilige Restaurant locken wollten. Okay, nicht mein Modell. Ein paar Straßen – und einige Minuten – weiter fand ich dann „Steaks & Wine“. Küche sollte bis 23.00 Uhr offen sein, passte also auch. Das Essen war ganz hervorragend, irritierend war dann nur, dass um elf auch insgesamt Schluss war. Mmhhh, damit hatte ich nicht gerechnet. Für das Glas Wein hätte ich gerne noch ein Viertel Stündchen gehabt…

Bei einem Abschlussbier im hoteleigenen Pub schreibe ich nun diese Zeilen und freue mich schon auf mein Bett. Obwohl heute eigentlich nur Fähre auf dem Programm stand, waren es dann doch 35 km auf dem Rad.

Es geht los

Nach dem Verlassen des Zeltlagers, was für die letzten drei Wochen mein Zuhause war, liege ich nun auf meiner Koje auf der Fähre nach Helsinki. Um drei Uhr morgens soll sie ablegen und mich in 29 Stunden einmal quer über die Ostsee befördern.

Da das Zeltlager heute morgen mit drei Schulklassen neu belegt wurde und wir somit einfach überflüssig waren, sind wir zeitig los und trudelten schon gegen Mittag in Travemünde ein. Im Hafenhaus wurde uns dann mitgeteilt, dass der Check-in für Fahrräder erst gegen 23 Uhr stattfinden würde. Somit hatten wir dann noch reichlich Zeit zu überbrücken, was uns aber ganz gut gelang – hier und da mal was essen, etwas Geocaching und ein bisschen Shopping… und dann war er schon da, der erlösende Moment des Starts, aber auch des Abschieds für einen ganz schön langen Zeitraum.

Direkt an Bord am Fahrradständer habe ich dann Mareen kennengelernt, wir beide sind die einzigen Fahrradfahrer auf dieser Überfahrt, ich einfach auf einer Radtour und sie am Umziehen nach Finnland. Auf dem Rad. Mit zwei Rucksäcken. Ganz genau. Ich frage mich, was für abgefahrene Leute ich noch so kennenlernen werde.

Die Antwort kommt direkt. Jens wird mein Mitbewohner sein auf der Fahrt nach Helsinki.

Da die Internetgebühren an Bord beeindruckend sind, gibt’s dann frühestens in Finnland das nächste Update, wahrscheinlich aber erst in Tallinn. Gute Nacht!