Wieder früh wach. Aber diesmal war es keine senile Bettflucht, sondern der finnische Transporter oder Camper direkt unter meinen Fenster. Jeder der geladenen Hunde musste Gassi. Nacheinander. Und wer noch nicht dran war, jaulte fürchterlich. Das in der Rezension so gelobte Frühstück des Hotels erwies sich zwar als etwas karg, aber hey, besser als ein Müsliriegel.
Nach der Verpackerei ging es dann wieder los, so etwa halb elf. Aber erst nachdem ich mir die frisch gewaschene Hose mit Kettenöl eingesaut hatte! Klar! Der Weg führte am alten Bahnhof vorbei, der jetzt ein Museum ist. Er hatte 1907 mit 216m den längsten überdachten Bahnsteig Europas.
Genauso lang wie damals der Zarenzug. Von da aus ging es neben dem alten Gleis zum Fähranleger. Nach knapp zehn Kilometern war ich da. Ich hatte mich vorher nicht informiert, wann eine Fähre fährt, aber im Kartenbuch stand, dass alle zwei Stunden eine fahren würde. Wird schon schief gehen!
Ich hatte echt Glück! Als ich zum zwanzig nach elf ankam, hieß es, dass die Fähre in zehn Minuten ablegen würde. Super! Und Kostenpunkt waren auch nur €3,40. Echt fair! Die Fähre brauchte 75 Minuten und dann war ich auf der Insel Hiiumaa.
Es fing sehr schön an mit ein paar Alleen, ließ dann aber leider auch wieder stark nach. Am Ende bin ich im Schwerpunkt dann wieder auf Landstraßen gefahren. Ein nettes Hochlicht zwischendurch war das folgende ehemalige Pastorenhaus, das zwischen 1909 und 1997 für drei Perioden als Schule benutze wurde. Je nach angesagter Diktatur dann auch wieder nicht.
Kurz danach wurde ich per Fahrrad eingeholt von einer älteren Dame aus Recklinghausen. Sie hatte sich – das hört sich jetzt komisch an, soll’s aber gar nicht – gerade den Friedhof angesehen und sah mich vorbeiradeln. Da ich der erste Radreisende war, den sie seit ihrer Ankunft gesehen hatte, nahm sie die Verfolgung auf, um einen Plausch zu halten. Sie war nur einen Tag nach mir mit der Fähre von Helsinki aus angekommen. So fuhren wir die nächste Stunde zusammen und tauschten uns über unsere Touren aus. Sie fragte mich nach diesem und jenem Ort, ob ich da auch hinfahren würde oder schon war. Hmmm… okay. Keine Ahnung. Ich schau auf diese Karte und rechne wie weit ich wohl kommen könnte und suche mir zwei bis drei Möglichkeit als Unterkunft raus, je nachdem wie gut es läuft. Orte? Die haben alle recht … interessante Namen. Puuuh. Also ich fahr den Iron Curtain Trail. Das ist auf den Schildern die 13. Naja, sie fährt kreuz und quer und folgt keiner speziellen Route und Unterkünfte hat sie für manche Tage, aber nicht für alle. Auch ein abgefahrener Ansatz.
In Kärdla trennten sich dann unsere Wege, sie war an ihrem Ziel, ich hatte noch so dreißig Kilometer übrig. Die Zeit war auf jeden Fall im Flug vergangen, war es doch nach der Unterhaltung mit dem Typen von der Gepäckaufbewahrung in Tallinn das erste tatsächliche Gespräch, was ich seitdem geführt habe. In den Tagen zuvor habe ich keine zehn Wörter am Tag gesprochen, fiel mir dann auf. Krass.
In Kärdla hatte der Coop geöffnet und ich besorgte mir einen Mittagssnack. Wer behauptet, dass alkoholfreies Radler und Zimtschnecke nicht zusammen passen würden, hat übrigens KEINE Ahnung.
Im Anschluss ging es wieder ziemlich monoton weiter, aber Dank des mäßigen Windes ging es zügig voran. Nach einem Halt am nächsten Coop in Körgessaare und einem verdampfendem halben Liter Cola entschied ich mich, weil’s so gut lief, dazu, nicht in Körgessaare auf den RMK Platz zu gehen, sondern den nächsten in 9 km Entfernung anzusteuern, denn der las sich in der Beschreibung einfach besser. Gesagt, getan.
Bei der Ankunft stellte ich dann leider fest, dass ich da wohl zu viel hinein interpretiert habe. Er war mitten im Wald gelegen, das Meer fast 200 m weit weg. Echt schön, aber das passte so nicht. Ich wollte doch meine Spaghetti in Meerwasser kochen! Ich hab doch kein Salz dabei!
Viel schlimmer war aber die sofort loslegende Mückenarmada. Nee, gar keine Lust. So geht das nicht! Beurteilung der Lage ergab, dafür reicht mein Autan-Vorrat nicht, auch wenn die Flasche noch fast voll ist. Kurz die Karte online gecheckt, wo die nächste Möglichkeit wäre und siehe da, knapp sechs Kilometer, direkt am Meer. Da sollten weniger Mücken sein. Der Weg dahin war dann wieder so eine Schotter-Piste durch den Wald, aber meine Hoffnung lag auf dem Ziel. Und Bingo. Alles richtig gemacht, auch wenn ich jetzt morgen knapp sechs Kilometer extra vor mir habe. Direkt am Meer gelegen, aus dem Zelt kann ich nun sogar auf’s Wasser schauen.
Direkt nach der Ankunft bin ich aber erstmal ins Wasser hinein. Ja, genau, ich, und sogar freiwillig. War nicht mal kalt. Weit rein bin ich aber nicht. Das wäre dann doch etwas tollkühn für meine Verhältnisse. Man soll das ja auch nicht übertreiben. Ist aber auch tatsächlich komisch, wenn man komplett alleine an so einem Stand ist…
Nach einer kleinen Fotosession zum Sonnenuntergang fing ich dann nun an mit meinen Meerwasser-Spaghetti. Nachdem ich mir zuvor für Bestätigung über die Google Suche geholt hatte, ob das alles so geht wie ich mir das vorstelle, ging’s los. Fazit: wenn man Meerwasser für Nudeln nutzen möchte, sollte man sicherstellen, dass man am Meer ist und nicht an der Ostsee. Die ist etwas fad.
Die Mücken nerven hier zwar auch, aber sicher nicht so extrem wie im Wald und der Ausblick entschädigt sowieso für alles. Auch für die gut achtzig meist monotonen Kilometer.
Gesamtanstieg: 215 m
Gesamtzeit: 08:27:51
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