Am Weststrand

Gestern hatte ich noch mit Erstaunen feststellen müssen, dass ich einen Platten hatte. Zum Glück hatte ich vor der Fahrt dann doch noch einen Ersatzschlauch gekauft. Da es immer noch regnete, wurde kurzerhand das große Zelt von meinem Bruder zur Werkstatt umfunktioniert. Der Reifen war schnell demontiert und der Übeltäter auch sofort gefunden. Eine Scherbe hatte sich tatsächlich durch den Mantel geschnitten und so den Schlauch punktiert. Eigentlich sollte das ja gar nicht möglich sein…

Darßer Urwald

Im Café gab’s dann noch Frühstück für uns vier und dann machten sich meine Brüder auf den Heimweg. Ich fuhr dann anfänglich nur durch den Wald, den Darßer Urwald. War aber ganz angenehm, denn im Wald hat man eher selten Wind. Manchmal aber doch und dann werden sogar Bäume entwurzelt. Blöd ist dann, wenn die komplett über dem Weg liegen. Das kann dann mit dem schwer beladenen Rad durchaus auch mal eine Herausforderung werden.

Oops

Dann führte mich der Weg direkt an den Weststrand – und da ließ der Kollege Wind mal richtig die Muskeln spielen. Alter Schwede. Dass es heute ordentlich stürmen sollte, hatte die Vorhersage ja prognostiziert, aber das war dann doch mehr als womit ich gerechnet hatte.

Am Weststrand

Von da aus sollte ich den Rest des Nachmittags direkt am Meer bleiben. Die Sonne schien und es gab unzählige tolle Blicke auf den Strand und das Meer. Der Wind war zwar wirklich heftig, aber zum Glück war der Weg die meiste Zeit ganz gut vor ihm geschützt. An einer Stelle bin ich für vielleicht 150 m auf der Steilküste gefahren, da dachte ich wirklich, dass es mich gleich wegbläst.

So machte der Tag bzw. der Nachmittag wirklich Spaß. Und auch der Wind machte mir tatsächlich Spaß, auch wenn einige Abschnitte wirklich zornig waren. Durch den späten Start am Mittag und einer leichten Trägheit, die vielleicht unter Umständen ganz eventuell auf den Abend zuvor zurückzuführen sein könnte… Ach Quatsch! Der Wind war’s! … kamen da heute nur 45 km oder so zusammen. Das Zelt wurde heute im Ostseecamp aufgeschlagen, hoffentlich fängt der angekündigte Regen morgen erst an, wenn ich schon gepackt habe…

Gesamtstrecke: 44515 m
Gesamtanstieg: 307 m
Gesamtzeit: 06:41:27
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Marzipan-Waffel

Wenn auch mit einem Tag Verspätung, hier nun der Reisebericht von gestern.

Es regnete. Wieder einmal. So ging es dann zuerst rüber zum Bahnhof, wo ich am Tag zuvor einen Bäcker erspäht hatte. Zwei belegte Brötchen und ein Kaffee, sechs Euro. Plötzlich wirkte das im Hotel ausgeschlagene Frühstück für zwölf Euro gar nicht mehr soo teuer. Und doll war das Brötchen jetzt auch nicht.

Gorch Fock I

Es ging Richtung Norden aus der Stadt raus, vorher schaute ich aber noch kurz im Hafen vorbei, um einen Blick auf die Gorch Fock I zu werfen. Schick.

Auf dem Deich

Ich fuhr durch die wirklich schöne Bodden-Landschaft, oft auch auf dem Deich. Leider war es bedeckt und der Wind sorgte auch immer wieder dafür, dass man das gar nicht so richtig genießen konnte.

Bodden-Landschaft

Es lief aber insgesamt echt gut, der Otter und ich kamen hervorragend voran. In Zingst war es dann soweit, ich hatte die 3000 km voll. Deswegen – aber auch weil mir echt kalt war – gab’s dann eine Marzipan-Waffel und einen Kaffee. Lecker! Hatte ich vorher noch nie gegessen, ist aber echt großartig!

Von da aus waren es dann nur noch wenige Kilometer und ich hatte trocken das Ziel für den Tag erreicht, den Campingplatz Regenbogen in Prerow, wo mich meine Brüdern besuchen wollten, was mich natürlich sehr freute. In der Folge war dann auch keine Zeit zum bloggen.

Die 71 km hatte ich schon um halb drei abgerissen, nicht schlecht… Pünktlich vor dem Regen, der gegen halb vier einsetzte und bis zum nächsten Tag mittags auch nicht mehr aufhören sollte.

Gesamtstrecke: 67379 m
Gesamtanstieg: 312 m
Gesamtzeit: 05:25:08
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Kopfsteinpflaster

Frisch geputzter Otter

Der Flying Otter sah aus… auweia, so kannst Du nicht los, auf keinen Fall. Jetzt ist die Zeit für WD40 gekommen, der Sand muss raus aus der Kette! Mit Lappen, Zahnbürste und Öl bewaffnet machte ich mich daran, das arme Tier zu säubern. Das dauerte. Und da kam ordentlich was runter. Entsprechend später kam ich dann los, aber das war alternativlos.

Kurz nach Lubmin konnte man einen Strandweg fahren, um sich den Teufelsstein anzuschauen. Das hörte sich interessant an. Unter Strandweg hatte ich mehr Weg am Strand verstanden und weniger Strand auf dem Weg. Egal, durch da, lohnt sich bestimmt. Dann kam ein schon fast vergessener Spieler zurück auf’s Spielfeld – der Wind ließ kurz die Muskeln spielen. Oha. Stimmt… den gibt’s ja auch noch…

Stein im Wasser

Angekommen am Stein stellte ich fest, dass das nicht meine Art von Humor war. Ein Stein, im Wasser. Aha. Der größte Findling im Kreis oder Land oder so. Ändert nix daran – ein Stein, im Wasser. Und wirklich groß fand ich den auch nicht. Dafür den Aufriss…

Hunderte Schwäne

Kurz darauf gab’s dann aber echt was zu bewundern. Also fand ich zumindest. Ich hatte vorher schon Schwäne gesehen, auch in der Ostsee, aber noch niemals diverse hundert auf einmal. Wow!

In Bewegung sah das noch besser aus!

Etwas später kam ich dann einem Spot vorbei, wo einige Kite-Surfer ihr Unwesen trieben. Das sah ganz witzig aus, weil ich zuerst nur die Segel oder Drachen von denen sehen konnte. Gleichzeitig konnte ich schon auf die andere Seite des Boddens nach Greifswald gucken, was das erste Zwischenziel für heute sein sollte. Puh… so weit noch… Es ging einfach nicht gut voran heute. Irgendwie schleppend.

Am Hafen längs

In Greifswald endlich angekommen wich ich von der Route ab, um wenigstens mal auf den Marktplatz zu schauen. Der Hinweg war bis dahin sehr nett, ging es doch auf der alten Treidelstrecke durch den Hafen bis zur Brücke. Auf dem Weg hätte ich dann fast eine Ringelnatter überfahren. Gerade noch rechtzeitig konnte ich das Vorderrad hochreißen, beim Hinterrad war sie schon weit genug unter durch. Gar nicht mal so klein das Exemplar, bestimmt mehr als 60 cm. Und flink! Somit wieder leider kein Foto.

Marktplatz in Greifswald

In der Stadt aß ich dann ein Fischbrötchen und goss mit Zuckerwasser auf. Half alles nix. Immer noch müde und schlapp. Es gab eine erste Husche, die störte aber nicht, zu dem Zeitpunkt war ich gerade unter dem Vordach am essen.

Wellblech-Oberfläche 3.0

Danach wurde die Strecke wirklich ungemütlich. Kopfsteinpflaster. Ohne Ende Kopfsteinpflaster. Über 20 km sollten es später gewesen sein. Irre. Ich glaub, ich wackel immer noch.

1000 Jahre…

Zwischendrin führte mich der Weg über Reinberg, wo ich kurz die 1000 jährige Linde begutachten konnte. Nebenan war ein Dorffest oder so was, vielleicht auch Tag der offenen Tür bei der Feuerwehr. Zumindest stand ein Löschfahrzeug da.

Das tut nix, das will nur spielen!

Weiter auf dem Kopfsteinpflaster. Ich dreh durch. Dann braute sich allerdings was zusammen und das machte mir dann ganz gut Beine. Es waren zwar nur noch zehn Kilometer, aber der Regen dürfte schneller sein als ich. Nee, half nix. Rein in die frisch imprägnierten Regen-Klamotten. Und dann ging’s los. Ganz ordentlich auch. Hmpf, wären nur noch knapp fünf Kilometer gewesen. Das Imprägnieren hat aber was gebracht würde ich sagen. Zumindest ein bisschen.

Regen auf’m Bodden

Morgen soll es wieder reichlich schütten. Mit Glück erst ab Mittag, dann kann ich bis dahin noch etwas schaffen. 80 km wie heute sehe ich für morgen allerdings noch nicht. Dafür freue ich mich morgen auf meine Brüder, die mich morgen Abend besuchen kommen wollen.

Stralsund by night
Gesamtstrecke: 76452 m
Gesamtanstieg: 383 m
Gesamtzeit: 06:44:55
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Es sind die kleinen Dinge

Der Regen kam. Wie angekündigt. Bis um elf hatte ich Karenzzeit, dann war Check Out im Hotel. Die Zeit nutzte ich bis zum Anschlag, aber dann half alles nichts – los ging’s.

Der Otter am Grenzstein

Das Aussitzen war aber für’s erste von Erfolg gekrönt – nieselte es doch nur. Swinemünde verändert sich gerade ordentlich, die Straße vor dem Polenmarkt wird auch gerade komplett neu gemacht. Alles viel schicker im Vergleich zum letzten Mal, wo ich hier war.

Und dann war sie auch schon da, die letzte Grenze, die ich auf meinem Trip überqueren sollte. Das war ein besonderer Moment und der bisher einzige, wo ich kurz so etwas wie Heimweh verspürte.

Willkommen in Deutschland – es ist alles geregelt

Danach kam ich dann über Ahlbeck nach Bansin – und fuhr im Anschluss die ganze Zeit im Wald. Damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Und schon gar nicht damit, dass das der hügeligste Wald der ganzen Reise war.

Es ging immer weiter und regnete mittlerweile sehr ordentlich. Einmal hielt ich kurz unter einer Unterführung, merkte aber schnell, dass das mit dem Temperaturhaushalt nicht funktionieren würde, mir wurde kalt. Also weiter, nass bist Du ohnehin, dann sorg eben dafür, dass Du nicht auskühlst.

Bei dem Wetter macht man das definitiv auch!

Nach einer kurzen Mittagsrast an einem Kiosk – Bratwurst mit Bautzener Senf – ging es weiter. Mit einem Campingplatz hatte ich schon telefoniert, dort würde ich für einen Preis, der in Rahmen liegt, wieder so eine Holztonne bekommen. Hatte allerdings zur Folge, dass ich noch etwas fahren muss. Aber das ist ja okay, deswegen bin ich ja hier.

Ehemalige Heeresversuchsanstalt in Peenemünde

Dann ging es weiter nach Peenemünde, wo dann die Zeit leider nicht reichen sollte, um das Museum zu besichtigen. Bei neun Euro Eintritt möchte man dann auch was sehen und lesen und nicht nur durchrennen. Schade, schade – das wäre sicherlich superinteressant gewesen. Aber bei der Wetterlage muss man dann auch Abstriche machen bzw. gegeneinander abwiegen. Warm ging hier leider vor Bildung.

Über die Peene

Dann ging es Richtung Wolgast, von Peenemünde aus also nach Süden – die Richtung, aus der das Wetter kam. Und es fing natürlich wieder an regnen. Jetzt gab’s das Wasser direkt ins Gesicht. Dauerte zum Glück nicht allzu lang, vielleicht zwanzig Minuten bis halbe Stunde. Während dieser Husche fuhr ich einen Hügel hinab und machte mich möglichst klein, um auch jeden Stundenkilometer rauszuholen, den es rauszuholen gab. Dabei flog ich an zwei Spaziergängern vorbei und der eine sah mich in genau dieser Haltung. Ein Lächeln, ein Daumen nach oben. Das brachte mich auch zum Lächeln. Es sind wirklich immer die kleinen Dinge im Leben.

Der Otter leidet!

In Wolgast hielt ich noch kurz beim Famila und kaufte mir Imprägnierspray, mit Glück bringt das ja was. Es soll ja schließlich noch mehr regnen. Noch 12 km, Zielanflug!

Wie zum Hohn kommt beim Zielanflug noch mal die Sonne raus

Der Otter gab sich keine Blöße und lief wie geschmiert – obwohl er aussah wie Sau. In Nullkommanichts waren wir da und konnten den Schlüssel für die Tonne in Empfang nehmen. Die Frau an der Rezeption hatte Mitleid mit mir und schenkte mir die Duschmarken. Danke! Als ich aus der Rezeption herauskam, war da ein Regenbogen am Himmel. Richtig fett und man konnte sogar gut die Dopplung sehen. Auch das brachte mich wiederum zum Lächeln.

Einfach schön

Jetzt sitz ich hier draußen vor meiner Tonne, hab gerade Plastiknudeln gegessen und lächle immer noch. Und bin mächtig stolz auf die 87 km heute, denn die waren diesmal echt nicht leicht verdient.

Gesamtstrecke: 83846 m
Gesamtanstieg: 428 m
Gesamtzeit: 07:23:32
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Vor der Grenze

Puh, etwas später wach geworden – zwei Tage hintereinander über 100 km machen sich dann doch mal bemerkbar – und somit dann auch entsprechend mit Zeitverzug losgekommen.

Alles noch sehr trist morgens

Der Dreiklang aus Karte, Komoot und Beschilderung war sich wie immer nicht so ganz einig, wo es denn längs gehen sollte. Karte und Schilder lagen heute aber in Führung. Anfänglich war die Strecke dann auch wieder maximal unbeeindruckend.

Steht in Niechorze, nicht in Rügenwalde

In Rewal fuhr ich quasi auf der Steilklippe mit einem hervorragenden Blick auf das Meer. Und nach kurzer Zeit erreichte ich eine Aussichtsplattform, die über den Strand ragte. Fand ich irgendwie schräg, aber als ich da war, erklärte sich dann auch, warum das Ding dahin gebaut wurde. Ermöglichte es doch so einen Blick auf die Kirchenruine von Hoff zu werfen.

Beim Verlassen der Plattform wurde ich mal wieder auf mein Fahrrad angesprochen. Wo ich herkomme, wo ich hin will, ob ich echt ganz alleine unterwegs bin und wie immer die am meisten bewegende Frage – wo ich denn den Strom unterwegs herbekomme. Das Konzept E-Bike ist vielen noch nicht so geläufig, auf meiner Reise habe ich bisher auch fast keine gesehen. Es ist in erster Linie ein Fahrrad. Man muss tatsächlich selber treten, sonst passiert da gar nichts. Wenn man dann den Motor zuschaltet, wird es etwas leichter. Gerade beim bergauf fahren ist das dann eine tolle Sache.

Danach ging es wieder durch den Wald und schließlich musste ich mich dann entscheiden, ob ich über die Landstraße direkt nach Miedzyzdrojach fahre oder erstmal 11 km Umweg fahre, um dann noch weitere 10 km durch den Nationalpark zu fahren, wo dann am Ende ein Wisent-Gehege sein sollte. Ach was, mittlerweile schien die Sonne, was soll’s?

Nationalpark

Der Umweg war schnell gefahren, dann ging’s in den Nationalpark. Da war es dann ziemlich ruhig, der Weg… interessant. Manchmal ist es etwas abenteuerlich mit bis zu dreißig Sachen die Waldwege längszubraten, ist der Untergrund doch immer für eine Überraschung gut.

Nach dem Gehege, was dann nichts anderes war als ein kleiner Wildpark, wo ich dann zunächst noch überlegt habe, ob ich da jetzt wirklich reingehen soll – Hallo?! 11 km Umweg, um das zu sehen, was überlegst Du da gerade?! – ging’s kurz durch die nächste Stadt und dort gab es wieder Unterschiede in der Wegführung. Ich ließ das GPS gewinnen und wurde nicht enttäuscht. So fuhr ich bei bestem Wetter nochmal am Strand längs. Dass es ab morgen eine Woche regnen soll, konnte man da gar nicht glauben (wollen).

Dann ging es wieder in den Wald. Die Wege waren dann nochmal spannender, da immer wieder riesengroße Pfützen den Weg in deiner gesamten Breite versperrten. Hmm, wie tief kann so eine Pfütze wohl sein? Aber auch hier ergaben sich durch die schon tief stehende Sonne wunderschöne Farbspiele.

Dann stand auf der Karte etwas von einem Bunker, den man besichtigen könnte, aber da es jetzt schon echt spät war, fuhr ich daran vorbei. Um dann kurz danach doch an einem Geocache zu halten, der ebenfalls in einem kleinen Bunker versteckt sein sollte. Das war schon ein bisschen komisch so abends alleine im Wald in so ein Erdloch einzusteigen.

Der Cache war zum Glück schnell gefunden, weiter ging’s. Langsam wurde es immer dunkler. Bei Sonnenuntergang kam ich dann aus dem Wald auf die Straße nach Swinemünde. Nur noch ein paar Kilometer bis zur Fähre über die Swine. Die fuhr glücklicherweise alle zwanzig Minuten. Beim Warten wurde ich wieder mal angesprochen, diesmal von einem älteren Herren – die üblichen Fragen. Aber sehr sehr nett. Er sprach ganz hervorragend Deutsch und holte gleich sein Handy heraus, um nach dem Wetter für mich zu schauen.

Über die Swine

In der Stadt musste ich erstmal neu navigieren und genau jetzt müssen natürlich die Batterien für das GPS den Geist aufgeben. Während ich die wechsle werde ich aber wieder sofort angesprochen, ob ich Hilfe benötige. Sehr freundlich! Trotz GPS biege ich an einem Kreisverkehr mit vielen Ausfahrten falsch ab. Als ich kurz anhalte, um neu zu navigieren, wechselt direkt vor mir ein Reh die Straßenseite. Verrückt. Kurz darauf kommt noch ein zweites. Mitten in der Stadt! Das Foto ist leider Mist.

Um Viertel vor acht komme ich am Hotel an, der Schlüssel liegt im Safe. Schnell duschen, ab zum Essen. Hoffentlich gibt’s noch was. Wow, Swinemünde ist die erste Stadt auf der Tour, in der ich schon mal war, aber sie ist kaum wiederzuerkennen. Da hat sich mal einiges getan!

Am Ende des Tages überlege ich, wie und ob es überhaupt weitergehen soll. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage ist extrem bescheiden und feste Unterkünfte sind in Deutschland nicht in meinem Budget eingeplant, die sind einfach zu teuer. Warten wir’s ab, vielleicht habe ich ja doch noch etwas Glück. Das sollen nicht meine letzten 98 km gewesen sein!

Gesamtstrecke: 95713 m
Gesamtanstieg: 483 m
Gesamtzeit: 09:16:36
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Fahrradautobahnen en masse

Obwohl ich relativ spät gefrühstückt hatte, kam ich wie immer um zehn los. Komoot und mein Kartenmaterial wichen erneut deutlich von einander ab. Mmh. Fährst Du mal nach Beschilderung, das wiederum ist näher an Komoot dran. Das GPS sagt das auch, dass das ein Radweg wäre. Nun gut. Und zum Glück war es dann auch so. Der Weg passte. Nur so richtig hell werden wollte es nicht. Die ganze Zeit so diffuses Licht, ich schätze mal aufgrund von Hochnebel.

Die weitere Strecke verlief auch gut und der Wind passte auch, es gab nämlich keinen. Dann folgte bei Mielno das erste Stück Fahrradautobahn im Wald, sehr nett. Und davon sollten heute auch noch mehrere folgen.

Dass man hier viele Deutsche auf den Straßen sieht, verwundert wenig, aber heute und gestern hab ich echt viele Segeberger gesehen. Witzig!

Dann wurde es langsam Zeit für eine kleine Mittagspause, war es doch schon Richtung 14:00 Uhr. Eigentlich wollte ich mir nur in einem kleinen Laden einmal kaltes Zuckerwasser zu meinem Donut holen, aber die Kühlschränke waren schon wieder alle aus. Das passiert mittlerweile häufiger. Vielleicht werden die ja auch nur in der Saison betrieben… Direkt nebenan war aber ein Restaurant und dort stand auch ein Reiserad. Das war doch viel interessanter als einmal lauwarme Cola. Also ging ich hinein und setzte mich, gibt’s halt mal mittags was Warmes. Während ich bestellte wurde ich dann auch schon angesprochen, ob ich auch ein Radfahrer wäre. Jupp, is‘ wahr. So lernte ich Ingrid kennen. Ingrid ist auf der Route von Lübeck nach Danzig unterwegs und so konnten wir dann ein paar Streckeninfos austauschen, weil jeder den Teil, den der andere noch fahren will, schon gefahren ist. Wie praktisch. Witzigerweise hatten wir auch heute genau den gleichen Plan – nur in umgekehrter Richtung natürlich. Sie hatte aber bereits genau die gleiche Erfahrung gemacht, es hat in Polen kein Campingplatz mehr geöffnet. Sie hat ebenfalls Kartenmaterial von Bikeline, nur ein anderes Buch. Aber obwohl unsere Bücher im gleichen Jahr erschienen sind, ist ihres deutlich dichter am ausgeschilderten Streckenverlauf. Was stimmt denn da nicht mit dem Verlag?! Ärgerlich sowas! Nach etwa einer Stunde wünschten wir uns noch eine gute Fahrt und fuhren davon. Wir hätten sicherlich noch länger ratschen können, aber wir hatten beide noch ein gutes Stück vor uns.

Am Meer entlang

Wie von Ingrid versprochen gab’s danach wieder fast nur Autobahn, oft genug auch am Wasser – großartig! Nach einiger Zeit kam ich dann nach Kolobrzeg (Kolberg), was deutlich größer war als ich angenommen hatte. Hier waren unglaublich viele Hotels und es war auch richtig was los im Park an der Promenade. Im Schwerpunkt Rentner, aber auch einige Familien mit Kleinkindern. Schnell raus da, das war mir zu wuselig. Auch die Aussicht auf einen Kaffee, den es dort reihenweise in den Cafés gab, ließ mich nicht anhalten.

An Ortsausgang fuhr ich an einer Kadettenschule oder sowas vorbei, auf jeden Fall waren da ganz viele junge Menschen im Donald Duck Kostüm und die hatten gerade ein Antreten. Leider habe ich noch nicht ganz herausgefunden, was das jetzt für eine Schule war.

Alles voll mit kleinen Fliegen

Nervig waren dann ab späterem Nachmittag diese kleinen schwarzen Gewitterfliegen. Das war teilweise wie Hagel im Gesicht und auf der Jacke. Dann fuhr ich noch an einer Schlange am Wegrand vorbei und dachte mir, hey, das tote Ding ist ja gar nicht so platt wie die anderen bisher. Dreh mal um, dann kannste noch’n Foto machen. Umdreht, Schlange weg. Aha… war wohl doch nicht so tot wie Du dachtest. Dürfte eine Ringelnatter gewesen sein.

Skulptur am Wegrand

Die Strecke blieb weiterhin Autobahn, so war es dann auch kein Hexenwerk, das angepeilte Ziel in Mrzezyno zu erreichen. Waren dann aber trotzdem wieder fast 101 km. Insgesamt ein schöner Tag.

Gesamtstrecke: 97229 m
Gesamtanstieg: 357 m
Gesamtzeit: 08:24:34
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Bayerische Mettwurst

Zu normaler Zeit aufgewacht ging es runter zum Frühstück, wiederum in einem schön alt eingerichteten Raum. Dann zurück aufs Zimmer und die Route für heute festklopfen. Die Frage ist immer, wie weit weiche ich vom Kartenmaterial ab und wie und wann komme ich dann wieder zurück auf den „offiziellen“ Weg. Gar nicht so einfach manchmal.

Frühstüüück!

Die ersten 40 km waren wieder mehr Zurückführung auf den Iron Curtain Trail oder zumindest in seine Richtung – wieder einfach nur Landstraße fahren. Aber mit Sonne! Sehr angenehm! Einmal hab ich dann die Abzweigung verpasst, was mir dann einen Umweg von sieben, acht Kilometern einbrachte. Als ich dann an der Einmündung war, wusste ich auch warum. Lochplattenweg, sah aus wie eine Auffahrt zu einem Privatgrundstück. Die Lochplatten hörten aber zum Glück schnell auf und dann führte der Weg durch den Wald, ganz okay fahrbar.

Lochplatten

Dann kam ich irgendwann nach Ustka, wo ich eine ganz schnelle Mittagspause am Polo Markt einlegte. Dann war die Frage, ob ich den offiziellen Weg nehme oder nicht. Gestrichelte Linie oder lieber Straße? Hmm, ich entschied mich für Straße, hatte ich doch durch den Umweg schon genügend Zeit verloren.

Baustelle, immer nur abwechselnd fahren

Welch ein Irrglaube! Die neun Kilometer aus der Stadt raus waren komplette Baustelle! Ich durfte wieder an Ampeln stehen, weil der Verkehr auf der einspurigen Straße immer nur abwechselnd fahren durfte.

Blick zurück – schöne neue Straße, daneben wird auch gerade ein Radweg gebaut

Aber auch das ging vorbei und ich kam ich Jaroslawiec an, was das Minimalziel für heute war. Es lief aber gut und ich wollte auch noch bei Sonnenschein über die Nehrung fahren. Also weiter ging’s Richtung Westen. Bis zum Anfang der Nehrung war wieder Fahrradautobahn. Vom Feinsten! Auf der Nehrung war dann leider recht schnell wieder Lochplatte angesagt. Aber trotzdem toll darüber zu fahren. An der schmalsten Stelle könnte ich dann wirklich zu beiden Seiten Wasser sehen.

Auf der Nehrung – Wasser zu beiden Seiten

Zwischendurch gab’s immer wieder Stellen, wo sich der Strand den Weg zurückerobert hatte. Es ging dann nur noch schieben, zu weich war der Sand als dass man da noch hätte fahren können.

Strand 1 Weg 0

Nachdem ich zunächst dachte, dass ich zu spät wäre, da die Wolken doch schon wieder Überhand gewonnen hatten, kam dann doch noch die Sonne zurück. Schön, das Meer nochmal glitzern zu sehen, soll es doch bald eine ganze Woche regnen.

Kurz vor dem Ziel kam nochmal die Sonne raus

Dann kam ich in durch Darlówko (Rügenwaldermünde) und direkt danach nach Darlowo (Rügenwalde). Wie in der Werbung schon besungen „…wie das duftet…“, duftete es tatsächlich in der Stadt. Nur nicht nach geräucherten Wurstwaren, sondern nach Gras – also im Sinne von Shit. Ganz komisch. Die berühmte Mühle wurde in den achtziger Jahren bereits abgerissen, schade auch. Witzigerweise heißt die bekannte Teewurst hier bayerische Mettwurst – „Metka bawarska“, wer hätte das gedacht.

Ja, genau… mein Zeug da unten

Das Hotel hatte dann als Endspurt extra für mich ein Zimmer unter dem Dach im 2. Stock vorbereitet – schön wie die an meine Fitness denken! Hätte ich aber nach 117 km gar nicht mehr gebraucht.

Gesamtstrecke: 116262 m
Gesamtanstieg: 722 m
Gesamtzeit: 00:16:44
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Der Strand in Leba

Schon wieder ein Tag um. Mittlerweile fliegen die Tage nur so an mir vorüber und verdutzt stelle ich das abends fest und überlege dann: was war heute eigentlich so los?

Richtig gut geschlafen habe ich, bis acht Uhr! Das Frühstück war sehr ordentlich, damit hatte ich nach dem unglücklichen Check-in gestern gar nicht gerechnet. Um zwanzig nach zehn war ich dann wieder unterwegs. Und der Wind war in meinem Team heute! Das sagte zumindest Windy (meine Wind-App). Und so war es dann auch. Alles eher ruhig und manchmal sogar ein bisschen Rückenwind. Hinzu kam, dass es ziemlich häufig bergab ging. So ging die Fahrt flott voran. Zu sehen gab es hingegen wenig bis gar nichts. Gegend halt.

Nachdem in der Karte schon stand, dass der eine oder andere Abschnitt nicht so gut wäre und man ggf. schieben müsste, entschied ich mich direkt für die Straßenvariante. War zwar optisch langweilig – es war auch den ganzen Tag durchgehend bedeckt und grau – aber ließ sich sehr gut fahren. Nachmittags kam ich dann in Leba an, wo ich mir den phänomenalen Stand anschaute. Der ist wirklich echt lang und breit. Und der Sand dabei sehr fein. Angeblich ließ Rommel hier für den Afrika-Feldzug trainieren. Um zu den bekannten Wanderdünen zu laufen, fehlte leider ein bisschen die Zeit, nach Westen wären es 9 km, nach Osten 5 km – beides zu lang – und bei dem grauen Himmel fehlte mir erst recht die Motivation.

Es war mittlerweile 15 Uhr durch und ich wollte meine Unterkunft reservieren, die ich mir morgens ausgeguckt hatte. Leider wurde da nur nichts mehr angezeigt. Wie blöd, wieder zu lange gewartet. Ich suchte eine Alternative. In dem Ort gab’s nur nichts weiter. Alle weiteren Vorschläge waren zu weit oder zu dicht dran. Mist. Dann doch nicht mehr noch weitere 29 km, sondern nur noch 14 km.

Ich kam am Hotel an und es wusste mal wieder niemand was von der Reservierung. Ob ich warten könne, dann würde ein Zimmer hergerichtet werden. Ich könne derweilen ja erstmal essen. Klar! So machen wir’s! Bei Booking stand zwar erst nur was von Frühstück in der Übersicht, aber später konnte ich im Buchungsvorgang – ohne Aufpreis – noch einen Haken bei Halbpension setzen. Einzelzimmer mit Halbpension für €26, ob das alles so richtig ist? Und das Essen war auch noch echt gut. Als Vorspeise gab es Nussuppe! Verrückt. Aber echt lecker. Nach dem Essen war mein Zimmer dann wie versprochen fertig – im zweiten Obergeschoss. So Treppen steigen nach dem ganzen Tag in die Pedale treten ist echt… anstrengend. Mein Fahrrad konnte ich für die Nacht in einen extra Raum bringen – im Hochparterre. Achja… der Otter hat immer noch einen Pfeil im Köcher… Aber genug geweint. Trotzdem ein richtig schön altes Hotel. Ich mag das.

Blick in das erste Obergeschoss

In der Summe ein unbeeindruckender Tag, an dem wenig Berichtenswertes passiert ist. Weitere 80 km auf der Haben-Seite.

Gesamtstrecke: 77244 m
Gesamtanstieg: 463 m
Gesamtzeit: 06:50:58
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Mit der Fähre nach Hel

Da ich – wie schon so oft – das mit dem Nachtmodus am Handy falsch eingestellt hatte, wurde ich gegen halb sieben durch eine eingehende WhatsApp geweckt. Trottel – also ich. Aber irgendwie auch gut, denn so war ich echt zeitig fertig und hatte sogar noch die Chance, die Fähre in Danzig um 09:20 Uhr zu erwischen. Die hatte ich vorher schon ad acta gelegt – ich weiß ja, wie lange ich morgens brauche.

Allerbestes Wetter, Danzig zeigte sich von seiner schönsten Seite! Zum Anleger waren es nicht mal anderthalb Kilometer. An den Kasse nix los. Mmmh, oder fährt sie doch nicht? Doch. Ticket gekauft und die 600 m runter zum Schiff. Okay… Ich bin einfach nur spät. Da stehen ja schon bestimmt 80 oder mehr Leute. Es gibt nur eine schmale und recht steile Gangway, das wird spannend mit dem Flying Otter… Aha! Der kommt gar nicht da hoch, sondern auf’s Heck. Ohne Gangway. Hoch- bzw. rübergehoben. Nee, is‘ klar. Gut, Gepäck runter vom Rad, das soll mit mir die Gangway hoch.

Die Ausfahrt aus dem Danziger Hafen war definitiv eines der absoluten Highlights der ganzen Tour. Das war der Wahnsinn. So viele tolle Gebäude und Schiffe gesehen – und das bei dem Wetter!

Zuerst ging es dann nach Sopot (Zoppot), wo wir eine Zeit lang lagen, bis es dann rüber nach Hel ging. Vorher wurde nochmal reichlich ein- und ausgestiegen. Auch der Otter bekam Gesellschaft. War er in Danzig noch fast alleine, konnte er sich jetzt nicht über fehlende Gesellschaft beklagen.

Auf der Überfahrt nach Hel (auf Deutsch Hela – wie der Ketchup) gab’s sogar ein U-Boot zu sehen! Als wir in Hel anlegten war ich ein bisschen nervös, ob ich das Rad – schwer wie es nun mal ist – vernünftig entgegennehmen kann. Aber alles halb so wild, als ich das Schiff verließ, stand es schon da. Diesmal hatten sie hinten auch eine Gangway und waren zu zweit, da waren schon fast alle Räder runter als ich dann da war.

Erstmal musste ich Klamotten wechseln, es war richtig warm geworden! Sonnencreme dürfte auch nicht schaden. Alles wieder verzurrt, es konnte losgehen! Die Fahrt auf der Putzinger Nehrung war großartig. Die ersten neun, zehn Kilometer fuhr ich aber lieber auf der Straße, war doch der Fahrradweg daneben so voll und auch mehr Waldweg als alles andere. Danach besserte sich das deutlich! Jetzt gab’s wieder Fahrradautobahn direkt am Wasser.

Interessent war dabei zu sehen, wie unterschiedlich doch das Temperaturempfinden ist. Von kurze Hose, T-Shirt bis zur Daunenjacke mit Wollmütze hab ich alles gesehen.

Bei der Suche nach einem Campingplatz war ich wiederum glücklos. 15.09. war hier globales Einstellen angesagt. Zum Glück sind die Zimmer in Polen preislich echt fair. Unfair war dann nur fast eine Stunde auf die Vermieter warten zu müssen.

Nicht nur Campingplatz ist schwierig, Restaurant auch. Auch da hat nahezu alles geschlossen. Und das, was geöffnet hat, hat andere Öffnungszeiten. Ein Laden hatte zum Glück geöffnet und so gab’s noch was Warmes in den Bauch. Was zu trinken gab’s dann aber nicht mehr, wir schließen. Zwei Stunden früher als im Netz stand. Schade.

Da die Fahrt mit der Fähre insgesamt über drei Stunden gedauert hat, sind dann auch gar nicht so viele Kilometer zusammen gekommen heute. Knapp 57 müssten es gewesen sein.

Der erste GPS-Abschnitt beinhaltet die Überfahrt mit der Fähre:

Gesamtstrecke: 40670 m
Gesamtanstieg: 63 m
Gesamtzeit: 03:39:26
Download file: Track_2019-09-22a.gpx

Der zweite Teil umfasst dann die eigentliche Strecke des Tages, von den anderthalb Kilometern in Danzig mal abgesehen.

Gesamtstrecke: 52691 m
Gesamtanstieg: 189 m
Gesamtzeit: 05:26:19
Download file: Track_2019-09-22b.gpx

Perle der Ostsee

Nach dem Aufenthalt im Pokoje Mariola ging’s dann heute morgen zunächst in das Museum und die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Stutthof. Es war das erste KZ, das fertig gestellt wurde und wohl das letzte, das befreit wurde.

Es ist ganz gleich, wie viele KZ man sich schon angeschaut hat oder was man glaubt zu wissen – es ist jedes Mal aufs Neue erschütternd.

Da das Lager deutlich größer war als von mir erwartet und die Ausstellung sehr umfangreich ist – wenn auch leider in manchen Teilen ausschließlich auf Polnisch gehalten – kam ich wesentlich später dort los als gedacht. Der Besuch war aber sehr lohnenswert!

Schwimmende Brücke über die Weichsel

Nach einer kurzen Mittagsrast in Stegna ging es weiter in Richtung Danzig. In Mikoszewo querte ich dann die Weichsel. Danach war der Euro Velo 13 absolut hervorragend beschildert und ausgebaut. Das war schon wieder wie ein Fahrrad Highway!

Zunächst fuhr ich durch ein Industriegebiet am Stadtrand von Danzig. Hier eine riesengroße Raffinerie oder sowas in der Art, dort Autohändler. Was ganz schnell klar wurde dabei: Danzig ist groß. Zusammen Sopot und Gdynia hat die Metropole über eine Million Einwohner.

Grüne Brücke

Dann erreichte ich die Altstadt und war absolut geplättet. Wow! Danzig trägt den Titel „Perle der Ostsee“ nicht umsonst! So viele schmale hohe Häuser, die schon fast klischeehaft das Bild einer Hansestadt wiedergeben. Und viele wunderschöne andere alte Gebäude und Kirchen.

Im Hotel gab’s leider keinen Platz im Gepäckraum oder so für den Flying Otter und so musste er mit aufs Zimmer. Also auch mit in den kleinen Fahrstuhl. Das war durchaus etwas spannend, hat aber geklappt.

Dann ging’s zu Fuß los die Altstadt erkunden. Und der erste Eindruck wurde reihenweise bestätigt – Danzig ist großartig anzuschauen! Gefällt mir richtig richtig gut! Ich bin ein bisschen verliebt und weiß jetzt schon, dass ich hier auf jeden Fall nochmal mit mehr Zeit hin muss! So blieb zum Beispiel gar keine Zeit, das European Solidarity Center zu besuchen. Es ist aber trotzdem toll hier zu sein. In der Stadt, in der vor 30 Jahren mit der Solidarnośc-Bewegung das Ende des Ostblocks mit eingeläutet wurde.

Thomas in Danzig

Es war zwar erst 18:00 Uhr, aber ich entschied mich dazu, gleich etwas zu essen, denn noch sah es überall so aus, als ob es noch hinreichend genügend Plätze geben würde. Wer weiß wie lange das anhält. Über TripAdvisor suchte ich ein Steakhaus und lief los, um es zu suchen. Als ich da war, dachte ich, dass es geschlossen hätte. Auf den zweiten Blick sah ich aber, dass es geöffnet hatte, die Inneneinrichtung war nur sehr dunkel gehalten und es war noch kein Gast da. Ob das jetzt ein gutes Zeichen war? Die meisten Tische waren reserviert und ich bekam scheinbar den letzten freien Tisch – obwohl niemand da war! Nach und nach füllte sich der Laden aber und war dann wirklich komplett voll. Schwein gehabt! Kurz nach mir wurden die ersten Gäste, die fragten, ob noch etwas frei wäre, auch direkt wieder abgewiesen.

Danach lief ich noch ein bisschen durch die Stadt und machte ein paar Fotos. Was für ein abwechslungsreicher Tag! Zwar nur bummelig 44 km, aber trotzdem fordernd – für den Kopf!

Gesamtstrecke: 44236 m
Gesamtanstieg: 182 m
Gesamtzeit: 06:45:16
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No today!

Um 11:00 Uhr sollte die Fähre über das Frische Haff nach Krynica Morska gehen, also sollte ich nicht zu viel Zeit vertrödeln heute morgen. Bis nach Tolkmicka, wo die Fähre ablegt, sind es gut 17 km. Halb zehn los reicht locker. Früh genug hoch war ich auch, dem Hund, der seit dem Morgengrauen irgendwo vor meinen Fenster bellte, sei Dank.

Blick aus meinem Zimmer in Frombork

Mehr als pünktlich konnte ich starten, es war sogar erst 09:18 Uhr. Direkt gegenüber vom Hotel ist die beeindruckende Kathedrale Mariä Himmelfahrt und St. Andreas gelegen, davor steht das Nikolaus Kopernikus Denkmal. Das schaute ich mir noch schnell an. Dabei entdeckte ich, dass direkt daneben der Green Velo längs führte. Okay, schnell die App gecheckt, den Weg kannst Du auch nehmen. Sehr gut, der ist bestimmt etwas weniger langweilig als die Straße.

Auf dem Green Velo durch den Wald

Und so war es dann auch. Sehr schön im Wald gelegen, aber Alter Schwede! Das ging mal gut gut rauf und runter. Mmmh, ist auch weiter als gedacht. Okay, Motor rein. Was für ein Spaß! Durchaus flott ging es jetzt die Hügel rauf und runter, das mit 11:00 Uhr sollte jetzt wieder lösbar sein. Um zwanzig vor kam ich am Hafen an und suchte die Fähre – und fand sie nicht. An der Schranke standen Zwei, die gerade aus dem Hafenbüro kamen. Auf meine Frage, wo denn die Fähre fahren würde, kam als Antwort nur „no today!“. Da hatte ich mich echt drauf gefreut, dass ich auf der Nehrung fahren würde und dann das! Niedergeschlagen setzte ich mich auf die nächste Parkbank und bastelte mit wenig Motivation einen Plan B. Lustlos fuhr ich los und, um das Bild zu vervollständigen, fing es dann nach fünf Minuten auch an zu regnen.

Auf’m Deich

Ich fuhr gerade auf einer Küstenplattenstraße auf so einer Art Mini-Deich. Keine Bushaltestelle, kein Baum, einfach nix, was gerade vor der Nässe schützen würde. Super. Läuft bei mir. Ergänzt wurde die Freude im Anschluss durch das Kennenlernen der Wellblech-Oberfläche in der polnischen Küsten-Edition.

Wellblech 2.0

Irgendwann kam ich dann nach Elblag (Elbing), wo ich zunächst auf ziemlich großes Einkaufszentrum traf, an dem ich dann auch anhielt. Kurz durch den Mediamarkt gecruist und dann noch zur goldenen Möwe als Mittagspause. Zusätzlich gab’s dort einen wirklich großen Supermarkt, an dem ich endlich einen Flicken für meine Hose fand.

Turn in Elblag

Dann ging es quer durch die Stadt zurück auf Kurs Küste. Die Altstadt hat mir richtig gut gefallen. Ganz viele alte Häuser wurden modern renoviert, ohne dabei ihr Wesen zu verlieren. Echt schick!

Altstadt in Elblag

Jetzt sollten es noch gut 35 km bis zum Campingplatz sein. Leider hatte ich im Zuge geistiger Umnachtung bei Komoot vergessen bei der Routenplanung wieder auf Rennrad zu stellen – denn nur so klammert er die ganzen „Wege“ aus und nutzt ausschließlich Straßen. In der Folge hatte ich dann auch wieder einen ganz sensationellen Abschnitt dabei.

Mitten in der Pampa löste sich auf einmal mein linker Pedalarm und fiel ab. Einfach so. Ich hielt an, um mir das anzusehen. Die Schraube, die den Arm am Tretlager hielt, fehlte. Großartig. So eine hast Du natürlich nicht dabei. Ich machte mich auf den Weg zurück – zu Fuß. Vielleicht hätte ich ja Glück und finde sie wieder. Schwarz, im Gras links und rechts des Plattenwegs. Genau. Wovon träumst Du eigentlich nachts?! Ich ging bestimmt 100 m zurück und fand sie nicht. Also drehte ich wieder um in Richtung Fahrrad – und fand die Schraube! Fünf Meter hinter dem Flying Otter lag sie! Ich Glücksschwein! Ordentlich fest verschraubt konnte es endlich weitergehen. Jetzt war es schon wieder vier und immer noch 31 km! Und die Wetterlage wurde auch nicht besser.

Ich kam noch an der einen oder anderen kleinen Ortschaft vorbei auf meinem Weg nach Stegna. Bemerkenswert sind wirklich oft die Kirchen, die man dort sehen kann. Die Friedhöfe hingegen sind jedesmal beeindruckend, da sie immer mit unglaublich vielen Blumen und Kerzen geschmückt sind.

Dann kam ich um 18 Uhr in Stegna an. Dort sollte es zwei Campingplätze geben. Bei dem ersten hatte ich schon im Internet gelesen, dass er wohl nur bis zum 15. September geöffnet hätte. Somit fuhr ich zuerst zu dem anderen Campingplatz. Dieser war komplett verrammelt und verriegelt, also fuhr ich zu dem zweiten in der Hoffnung, dass dieser ja vielleicht doch geöffnet haben könnte. Fehlanzeige. Also wieder das Handy rausgekramt und über Booking nach einer Alternative gesucht. In Sztutowo wurde ich fündig, das waren dann zwar noch einmal 5 km mehr, aber morgen wollte ich sowieso in diesen Ort fahren, da sich dort das Museum zum KZ Stutthof befindet. Schlussendlich spart mir das dann morgen wieder Zeit.

Da ich so kurzfristig gebucht hatte, wussten die Vermieter noch gar nicht, dass sie heute Abend einen Gast hätten. Trotzdem wurde ich sehr herzlich in Empfang genommen. Weil ich der einzige Mieter war, konnte ich mir das Zimmer frei aussuchen. Das war sehr praktisch, denn so musste ich nicht in den ersten Stock, sondern konnte im Erdgeschoss bleiben und musste meinen Gepäck nicht die Treppe hoch schleppen. Auf meinem Zimmer habe ich einen Wasserkocher, folglich stand den Plastik-Nudeln nichts im Wege. In der Küche entdeckte ich dann ein Bügeleisen, damit konnte ich dann sogar meinen Flicken direkt noch auf die Hose klatschen. Hervorragend!

Jetzt sitze ich auf der Couch, lasse diesen doch eher verrückten Tag Revue passieren und schreibe diese Zeilen. Durch den nicht eingeplanten Umweg über Elblag und das Suchen einer Unterkunft, was länger gedauert hat als geplant, sind es dann doch wieder fast 95 km geworden. Morgen geht es dann nach Danzig!

Gesamtstrecke: 91336 m
Gesamtanstieg: 279 m
Gesamtzeit: 05:48:22
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Bergfest

Trödelig, irgendwie war ich heute morgen trödelig. Dafür, dass ich schon um zwanzig vor sieben wach war, bin ich trotzdem erst drei Stunden später auf dem Rad gewesen – und ich brauchte kein Zelt zusammen legen.

Der Blick aus meinen Fenster offenbarte, dass ich Aussicht auf den Marktplatz hatte, der aber gerade komplett neu gemacht wird. Das sieht bestimmt irgendwann mal richtig gut aus.

Komplette Baustelle

Das Fahren lief dann aber echt gut. Knapp die Hälfte sollte es eher bergauf gehen, aber dann hinab Richtung Küste. Erst der Fleiß, dann der Preis… Der Wind war deutlich gemäßigter, da war auch das bergauf fahren okay. Die Vorhersage hatte sich dann nochmal dahingehend verändert, dass es nun nachmittags wieder ganz normal ordentlich winden sollte. Nun denn. Danke für nix.

Górowo-Ilaweckie

Kurz nach Górowo war es soweit. Der höchste Punkt des Tages, ab jetzt beginnt das süße Bergabfahren! Da Schnaps weder vorhanden war noch sinnvoll gewesen wäre im Straßenverkehr, gab’s somit einen Gipfel-Donut! Keine Berge mehr – das ist mein persönliches Bergfest!

Der höchste Punkt – völlig unspektakulär

Dachte ich. Erstmal ging es trotzdem immer noch bergauf, zumindest immer mal wieder. Da ich die „Berg-Etappe“ ohne Motor gefahren bin (Ego-Idiot), merkte ich meine Knie jetzt richtig gut. Das war wohl etwas viel des Guten. Dann kam eine erste Husche, die war unter einem Baum aber schnell ausgesessen, schließlich dauerte sie auch nur fünf Minuten. Etwas später kam die zweite und ich hielt wiederum unter einem Baum an. Schnell war klar, dass das diesmal nicht reichen würde. Immer noch besser als nix, aber interviewe doch mal Google, vielleicht ist da eine Bushaltestelle in der Nähe. Und was für ein Glück! In einem Kilometer Entfernung war sogar so ein Unterstand vom Green Velo Radweg!

MOR am Green Velo

Dieser Regen dauerte dann auch knapp eine Dreiviertelstunde, welche ich dafür nutzte eine Unterkunft zu suchen. Weiter ging’s. Und ab dann nahm das Drama seinen Lauf. Bergab ging’s nicht so richtig, war eher flach. Der versprochene Gegenwind war da und fraß jeden Winkel nach unten wieder auf. Viel schlimmer war aber, dass die letzten 30 km eine komplette Baustelle waren. Immer wieder einspurig im Wechsel. Der neue Asphalt ist zwar absolut super, aber wir ich weiß nicht, an wie vielen Ampeln ich heute stand.

Anstrengend war dabei, dass man nie wusste, wie lange ist jetzt diese einspurige Strecke und wie lange ist die Ampelphase – sprich: schaff ich das? Das war jedes Mal Stress. Erst an der Ampel stehen und warten – gerne auch mal fünf Minuten plus – und dann volles Rohr reintreten. Hört sich wahrscheinlich alles weniger schlimm an als es für mich tatsächlich war. Gepaart mit dem Gegenwind reichte die Situation völlig aus, um mich wirklich zur Weißglut zu bringen.

Katharinen-Kirche in Braniewo

Irgendwann kam ich dann in Braniewo an und hielt nochmal kurz beim Supermarkt. Man merkte, dass die Grenze nicht so weit weg war, standen doch viele Autos mit russischem Kennzeichen vor dem Markt.

Dann waren es zum Glück nur noch 11 km bis zur Unterkunft. Aber auch diese waren nahezu komplett Baustelle – inklusive Ampeln! Der pure Hass!

Drei Kilometer vor dem Ziel

Angekommen bei der Unterkunft stellte sich heraus, dass die Küche im Restaurant noch zwanzig Minuten geöffnet hätte. Okay, dann her die Karte, erst Essen bestellen, ich lad den Otter halt gleich erst ab. Dann gleich noch gefragt, ob die Fähre auf die Nehrung jetzt im September noch fahren würde und eine postive Antwort erhalten. Sehr cool. Im Netz hieß es nämlich, dass am Saisonende Schluss wäre, also Ende August. Ich muss zwar erst nach Tolkmicka, was in 17 km Entfernung liegt, aber ich komme rüber. Das freut mich sehr!

Ich freu mich auch über die 97 km und darüber, dass ich jetzt fertig bin mit meiner Umrundung der russischen Exklave und nun wieder auf dem Iron Curtain Trail bin.

Leider viel zu spät begonnen, aber unter folgendem Link könnt Ihr schauen, welche Stationen ich so angefahren bin in letzter Zeit. Die vollständige Route pflege ich nach, wenn ich wieder zuhause bin.

https://thomasherm.travelmap.net/

Gesamtstrecke: 93563 m
Gesamtanstieg: 628 m
Gesamtzeit: 08:58:36
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An der Wolfsschanze

Das Frühstück war gar nicht so schlecht wie gestern behauptet wurde, es war durchaus reichhaltig und auch eine ganz gute Auswahl. Es gab so eine Art Schmalzgebäck, das war großartig. Was leider gar nicht großartig war, waren die Heiß-Getränke. Da stand ein Samowar mit Heißwasser und daneben Teebeutel – soweit okay – und Pulverkaffee. Der ging gar nicht. Also so richtig gar nicht. Das war glaube ich der schlechteste Kaffee meines Lebens. Dann dachte ich mir, okay, dann noch ein Tee hinterher, aber die Beutel waren alt. Auch gruselig. Naja, First-World-Problems…

Durch den Guss gestern Nachmittag und das Verschieben des Besuchs der Wolfsschanze auf heute morgen kam dann – wie vorher schon geahnt – gegen neun die Nachricht von Maik, dass er noch frühstücken würde, aber dann zeitnah an der Wolfsschanze wäre. Als ich den Flying Otter packen wollte, fing es an zu regnen. Super. Zum Glück gab’s einen offenen Anbau mit Dach, da konnte ich trocken weiter packen. Der Regen wollte nicht aufhören, also zog ich meine Regen-Klamotten an. Half ja nix. Und es kam natürlich wie es kommen musste, gerade angezogen, hörte der Regen natürlich auf.

Nördlich der Eisenbahnlinie ist der Anteil, der sich besichtigen lässt

Bei der Anlage angekommen wurde ich schon von Maik begrüßt. Schnell noch die Lenkertasche weggeschlossen und dann gingen wir auch schon direkt los, vielleicht konnten wir vor den Massen laufen, die da gerade busweise angekarrt wurden. Das funktionierte zum Glück ganz gut.

20. Juli 1944 – die Überbleibsel der Baracke

Seht nachdenklich machte mich der Ort, an dem am 20. Juli 1944 das Attentat durch Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg scheiterte. Da setzt im Kopf sofort die Was-wäre-wenn-Maschine ein. Welch denkwürdiger Ort.

Wir gingen weiter und er lässt sich eigentlich gar nicht richtig beschreiben, dieser Ort. Diese Massen an Beton, die in diesem Wald zerstört liegen wie das nicht mehr gewollte Spielzeug eines Riesen und die nun wieder von der Natur verschluckt werden, wirkten völlig surreal.

Bereits nach wenigen Bunkern bzw. deren Resten kam jemand auf uns zu, der dann auch sogleich herzlich von Maik begrüßt wurde. Es war Roman, Maiks Host aus Kaliningrad, der mittlerweile ebenfalls auf Radtour durch Masuren unterwegs war. Witzig, nun liefen wir also zu dritt durch die Anlage, während der Regen immer stärker wurde. Eine Zeit stellten wir uns in ein paar Bunkertrümmern unter, gingen dann aber weiter. Den Schwerpunkt hatten wir gesehen und im Restaurant ist es bestimmt wärmer. Da harrten wir dann gemeinsam aus, bis der Regen vorbei war. Romans Wetter-App meinte, dass das gegen zwei der Fall wäre. Im Restaurant konnte man derweilen durchaus interessante bis merkwürdige Menschen beobachten. Die Gesinnungsfrage durfte man dabei glaube ich nicht jedem stellen…

Maik, Roman und ich im Restaurant

Da Radfahrer immer Hunger haben und essen können, gab’s für uns alle drei noch eine ordentliche Nachspeise. Kurz vor zwei machten wir uns dann aber auf den Weg zu den Rädern. Die Regen-Klamotten konnten erstmal wieder verstaut werden. Relativ kurz und schmerzlos ging der Abschied von statten, war doch gestern schon alles gesagt worden, was gesagt werden sollte. Von dem Tor gingen drei Wege weg und es war tatsächlich so, dass wir drei jeder einen anderen davon nahmen. Dieses Mal gehe ich nun tatsächlich davon aus, dass wir uns sehr lange Zeit nicht mehr sehen werden. Mein Weg geht nun ohne weitere Umwege weiter Richtung Küste, Maiks Richtung Südosten ins Landesinnere und Romans mehr Richtung Osten.

In Rastenburg

Nach wenigen Kilometern war ich in Ketrzyn (Rastenburg), wo mich ganz unerwartet der Flying Otter im Stich ließ. Ich schaltete in einen höheren Gang, aber es ging leichter zu treten. Häh? Noch ein Gang, noch leichter. Und irgendwie passiert hier gar nichts mehr. Du trittst, aber die Kette bewegt sich Null. Ach, Du Sch… was das denn? Getriebeschaden? Erstmal googlen und YouTube Videos anschauen. Du hast ja einen Schutzbrief… Rufst Du da jetzt an? Hmm, um die Ecke wäre auch ein Fahrradladen… Hinschieben? Neue Idee: schau doch erstmal nach am Motor, vielleicht kannst Du ja was sehen… Facepalm – okay die Kette ist am Motor runter. Wieder drauf gesetzt und – ist das verrückt! – jetzt geht’s auch wieder. Mmh, aber warum ist das passiert? Die Kette sieht echt siffig aus, dabei hast Du die doch gestern morgen erst ganz gut gereinigt. War der Ritt durch die Pampa gestern Nachmittag wohl doch etwas viel. Naja, Hauptsache läuft erstmal wieder… Jetzt aber los, es sind immer noch 46 km oder anders formuliert: eigentlich stehst Du noch auf Start und es ist jetzt schon vier.

Sieht gut aus so eine Wolke, kostet aber jedes Mal ein paar Grad

Die ersten acht Kilometer waren ganz okay, aber dann gab’s zur Erinnerung nochmal 38 km nahezu gerade Strecke komplett gegen den Wind. In Ketrzyn zeigte ein Thermometer 13°C an. Gegen den Wind ist das nochmal ein gutes Stück weniger. Besonders eklig wurde es immer, wenn sich eine Wolke vor die Sonne schob. Ich hab gefroren wie ein Schneider.

Manchmal lohnt sich auch der Blick zurück

Witziges Erlebnis während dieser wenig witzigen Fahrt war, dass ich einen kleinen Trecker oder Minibagger überholt habe. Der fuhr so gut zwanzig und ich eher so vierundzwanzig. Haha, zack! Überholt!

Dramatik pur

Beeindruckend war während der Fahrt aber der Himmel, der eine durchaus dramatische Szenerie darbot. Ein, zweimal musste ich dann auch anhalten, um ein paar Fotos zu schießen. Als dann der kleine Trecker schon wieder ankam, wurde die Fotosession beendet – der überholt mich nicht!

Schön, aber kalt

Dann kam ich in Bartoszyce (Bartenstein) an und hielt noch einmal kurz am Supermarkt, wo ich direkt von zwei Mitmenschen begrüßt wurde mit der Aussage, dass sie jetzt dann fünf Zloty bräuchten. Aha. Hier sind zwei, wenn ich wieder rauskomme gibt’s den Rest – um mein Fahrrad brauchte ich mir derweilen keine Sorgen machen.

Im Hotel das übliche Procedere aus duschen und essen und dann den Blog schreiben. Jetzt sitz ich in meinen Zimmer am offenen Fenster und frage mich, wieso ich draußen immer Schüsse höre. Zwar in einiger Entfernung, aber trotzdem merkwürdig.

Das war jetzt der dritte unterdurchschnittliche Tag in Folge mit knapp 58 km. Aber ab morgen soll der Wind eigentlich weniger werden. Warten wir’s ab.

Gesamtstrecke: 63115 m
Gesamtanstieg: 365 m
Gesamtzeit: 09:22:47
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2000 Kilometer

Die innere Uhr hat gut funktioniert und so bin ich dann auch schon um zwanzig vor sieben aufgewacht und hab dann angefangen, alles zu packen. Die Wäsche – oder der Wind – war gnädig und es war alles doch schon recht trocken. Ein T-Shirt war noch sehr klamm, aber nun gut. Viel ärgerlicher war, dass mir eine Socke abhanden gekommen ist. Hab ich bestimmt auf dem Weg zur Waschmaschine verloren. Alles zweimal abgesucht, weg. Entweder hat einer der vorbildlichen deutschen Camper (sorry für’s Klischee) die direkt weggeschmissen (Was macht die denn hier?! Eine einzelne Socke? Das ja Quatsch!) oder aber es war eine der beiden Katzen, die da herum gestreunt sind. Schade, die hatte ich gerade erst gekauft und die waren echt gut. Zum Glück war’s eine Doppelpackung.

Pünktlich halb neun hatte ich alles verpackt. Zehn Minuten später war Maik dann auch da und wir fuhren hinunter in die Stadt zum Frühstücken. Es hatte fast noch alles zu. Eine Bäckerei, eigentlich mehr Konditorei, hatte zum Glück schon geöffnet. (Bei so vielen deutschen Touristen hätte ich mit mehr gerechnet… nochmal sorry für’s Klischee!)

So saßen wir zusammen in dieser Konditorei und tauschten uns über unsere Erlebnisse der letzten paar Tage aus. Es waren ja nun nicht so viele Tage, aber wir erzählten und erzählten, fast zwei Stunden lang. Wir hatten beide keine großen Strecken vor uns und somit machte das auch nichts. Das einzige, was drückte, war der bevorstehende Regen. Ursprünglich dachte ich, dass wir gemeinsam zur Wolfsschanze fahren würden, aber heute war Champions League. Dortmund gegen Barcelona konnte sich Maik auf keinen Fall entgehen lassen und das funktioniert nur in einer größeren Stadt, wo es auch eine Sportsbar gibt. Nachvollziehbar und richtig entschieden, mein kleiner Röhrenfernseher in meinem Zimmer hier zeigte auch gerade nicht so viel an.

Dann war der Zeitpunkt gekommen und unsere Wege trennten sich wieder einmal. Aller Voraussicht nach bis auf weiteres. Aber wer weiß? Das dachten wir jetzt schon mehrfach. So fuhr er an der Kreuzung nach links, ich nach rechts. So long, farewell!

Es war schon etwas bedeckter, aber immer noch alles okay und ich fuhr mit leichtem Rückenwind durch Masuren, immer noch eine bezaubernde Landschaft.

Der Flying Otter lief gut, alles okay, ging gut voran. Dann hatte Komoot die erste Wellblech-Oberfläche für mich parat. Die Rillen waren so heftig, dass es mir glatt das Gepäck vom Gepäckträger warf. Respekt! Während ich wieder alles neu verzurrte, kamen zwei Polen in ihrem SUV dazu und fragten, ob alles okay wäre. Danke, nix passiert! Sie erzählten, dass ihnen das Feld an diesem Weg gehören würde – und dass man da fast besser drauf fahren könne als auf diesem Weg. Jupp, gehe ich mit. Danach folgten hauptsächlich „normale“ Straßen und es ging weiter gut voran. Ungefähr bei der Hälfte meiner Strecke war ich in Ryn (Rhein) und kam am gleichnamigen Schloss und Burg vorbei. Sehr imposantes Gebäude, was auf den Deutschen Orden zurückgeht wie vieles in dieser Region.

Schloss und Burg Rhein, die andere Seite hat eine ganz tolle Klinkerfassade

Direkt danach war es soweit und ich konnte mich über zweitausend gefahrene Kilometer freuen. Das ist schon ein tolles Gefühl, gerade wenn man auf jeder eiskalten Gegenwindstrecke denkt, dass man völlig benagelt sein muss, sich sowas anzutun. Die Freude währte ungefähr drei Minuten, dann fing es an zu regnen. Fairerweise kam nach zweihundert Metern eine Bushaltestelle MIT Wartehäuschen. Da konnte ich dann meine Regensachen anziehen und weiterfahren. Der Regen ließ auch ganz schnell nach und zwischenzeitlich kam sogar die Sonne wieder hervor.

Dann fing es wieder an und ich dachte mir, egal, nur noch gut fünf Kilometer, dann bist Du da. Da vorne noch einmal abbiegen und dann nur noch dem Weg folg… Euer Ernst?! Das war einfach kein Weg, das war Piste. Anfänglich. Dieser „Weg“ hatte einige Überraschungen parat.

Das war noch mit das beste Stück von dem Weg!

Über Sand (etwas angefeuchtet, klebt gut an den Reifen), Feldweg mit Schlaglöchern, bergauf, bergab, Brennnesseln auf Lenkerhöhe bis hin zu riesengroßen Steinen, die das ganze zu einem Feldwegkopfsteinpflaster werden ließen, war einfach alles dabei. Zum Glück ließ der Regen nach. Nach einer Weile – leicht später als erwartet – kam ich bei der Wolfsschanze an. Mir kam direkt ein altes Militärfahrzeug entgegen, inklusive komischer Menschen darauf. Naja. Zuerst anschauen oder zuerst ins Hotel, Sachen wegbringen? Der Regen entschied auf erst Sachen wegbringen. Okay, das Hotel ist ja nur 800 m entfernt, fährst Du später hin. Sollte nicht so sein. Immer wieder Regen, somit habe ich den Besuch auf morgen früh nach dem Frühstück verschoben.

Dann bin ich runter ins Restaurant zum Essen – einziger Gast, schon schräg… Das Essen war okay und kurz bevor ich fertig war, kann noch ein deutsches Pärchen zum Essen. Ein Polizist aus Thüringen mit seiner Frau. Auch mit den beiden habe ich dann noch bestimmt eine halbe Stunde gequatscht.

Auch wenn das nur 44 km heute waren, ich bin hinreichend müde. Morgen etwas Bildung und dann zurück weiter Richtung Küste!

Gesamtstrecke: 44215 m
Gesamtanstieg: 416 m
Gesamtzeit: 06:24:04
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Durch Masuren

Maik hatte mich gestern Abend noch angetextet und mir seine Route durchgegeben. In der Folge versuchte ich nun, da etwas Kompatibles draus zu stricken, so dass wir unsere Verabredung – Wir sehen uns in Polen! – tatsächlich einhalten könnten. Gleichzeitig sollte weder heute noch morgen wieder so ein Gewaltritt werden wie gestern. Etwas hin, etwas her… ja, so könnte es gehen. Heute also von Nord nach Süd durch Masuren, um dann morgen zur Wolfsschanze fahren zu können – und zwar so, dass auch Zeit ist, sich die anzuschauen. Alles gepackt, raus aus der Stadt!

Fahrrad-Servicestation am Stadtrand

Ganz großartig fand ich die Servicestation für Fahrräder am Stadtrand. Die stand neben einer riesengroßen Tafel, welche Radwege es denn so gäbe. Da konnte ich meine Reifen mal mit einem Manometer prüfen und oha! Da geht ja doch nochmal ganz gut was rein. Komisch, danach rollte der Flying Otter auch direkt besser…

Einer der unendlich vielen Seen

Leider gab es an Anfang ständig Sprühregen, nix dolles, aber einfach schade. Ich habe Alleen dabei noch mehr zu schätzen gelernt als vorher. Da konnte ich immer mal wieder stoppen, um der Feuchtigkeit zu entgehen. Nach einer Weile kam ich in Gizycko (Lötzen) an, was einer der touristischen Hotspots der Masuren ist. Heute eher nicht so. Dafür stiebitzte die Sonne ein bisschen hervor.

Am Strand in Lötzen

Zuerst hatte ich mir gedacht, dass ich da dann eine ausgiebige Mittagspause mache, so dass abends Plastiknudeln reichen. Das erste angelaufene Strandcafe hatte direkt zu und ich direkt keine Lust weiter zu suchen. Also kurz was aus dem Rucksack und weiter geht’s.

Schwenkbrücke in Lötzen

Erst musste ich jedoch warten bis die Schwenkbrücke offen hatte. Glück gehabt! Nur sieben Minuten warten, das hätte auch anders ausgehen können… Ein sehr interessantes Schauspiel, wird die Brücke doch noch komplett per Hand betrieben. Also sowohl das Schwenken als auch die Schranken auf beiden Seiten – das dauerte ganz schön, bis der arme Mann da fertig ist.

Ein weiterer der auf dem Weg

Im Anschluss ging es weiter nach Mikolajki (Nikolaiken), welches an einem Arm des Śniardwy (Spirdingsee) liegt, der der größte der masurischen Seen ist. Nicht jedoch ohne dass mich der Kollege Wind erinnert daran erinnert hätte, dass er noch da ist und dass ich das, was ich vormittags von ihm verpasst hätte, jetzt bitte konzentriert nachholen dürfe. Das waren nun die letzten 20 Kilometer, das hätte er sich schenken können. Echt. Zum Glück konnte ich mir heute immer wieder das Grinsen ins Gesicht zurückbringen, indem ich an dieses Glas Tomatensauce im Supermarkt dachte: Sos Bolonski. Herrlich.

Fußgängerbrücke in Mikolajki

Der Campingplatz war dann schnell gefunden, dank der der Beschilderung im ganzen Ort – ADAC geprüfter Camperplatz! Und so war es dann auch. Nur Wohnmobile und nur Deutsche. Okay… Nachtruhe ist um zehn. Easy, hier ist seit sieben der Hund begraben.

Dann schnell zum Supermarkt, essen und Waschmittel kaufen, denn hier gibt’s eine Waschmaschine, deren Nutzung nichts kostet. Cool. Jetzt hab ich zwar meine nasse Wäsche im Dunkeln aufgehängt, aber vielleicht habe ich ja Glück und der Wind kooperiert. Zum Essen gab’s Tortellini mit Käse-Sahne-Sauce, selber gekocht, sehr lecker. Nur zu viel – stand ja auch drauf für zwei Personen, Idiot!

Mittlerweile hat Maik sich gemeldet, er ist nur noch eine Stunde entfernt und holt mich somit morgen früh ab, klasse! Morgen Nachmittag soll es regnen, aber zur Wolfsschanze sind es nur 40 km, da sollten wir vorher da sein. Heute waren es übrigens auch nur 65 km. Übermorgen geht’s dann zurück auf den Green Velo und damit weiter Richtung Heimat.