Pärnu ist die Sommerhauptstadt Estlands habe ich gelernt. Und so kam mir das gestern Abend auch vor. Überall Trubel und High Life. Wahnsinn. Als ich nach dem Pub dann irgendwann in mein Zeit gekrochen bin, also noch vor zwölf, war es nicht gerade ruhig, die Musik war absolut gut hörbar. Egal, ich konnte trotzdem sofort einschlafen. Die Strecke und der Pub haben schon dafür gesorgt.
Beim Frühstück habe ich dann zwei Jungs aus Hamburg kennengelernt, die umrunden einmal die Ostsee. In fünf Wochen mit dem Auto, sportlich. Die ersten, die ich getroffen habe, die durch die russische Exklave durch sind. Vier Stunden Wartezeit an der Grenze, niemand spricht Englisch. Genau mein Modell. Nicht. Ich fahre drum herum.
So denn, los nu, is‘ schon elf. Die ersten Kilometer ein absoluter Traum. Quasi Fahrrad-Autobahn, meistens im Schatten, oft Sicht auf die See. Geil.
Aber auch die schönste Strecke nimmt mal ihr Ende und so auch diese. Neben dem Golfclub fuhr ich parallel zu diesem durch den Wald. Der Weg war teilweise wie Strand. Absolut unfahrbar. Ganz kurz vor dem Ende von diesem Blödsinn – ich konnte den Beginn des Asphalts bereits schon sehen – musste ich sogar absteigen und schieben.
Fairerweise muss man sagen, das war die Karte und nicht die Beschilderung. Kurz danach, das war etwas skurril, kreuzte so eine Freizeitpark-Lokomotive mit Anhängern, wo Leute drin sitzen, meinen Weg. Man rechnet ja mit viel in Wald, aber das war schon strange. Direkt danach fuhr ich dann auch am Zaun von diesen Freizeitpark längs und hörte die ganze Zeit Kinder lachen oder sonstige Geräusche von sich geben. Völlig irritierend ist auch, wenn man dann einen Angestellten von den Park in seinem fetten Maikäfer-Kostüm durch den Zaun sieht, der gerade in einer Sprache, die man nicht versteht, Kinder anschreit. Die haben sich aber darüber gefreut. Muss wohl was Nettes gewesen sein. Und zack, zwei Mal in die Pedale getreten, vorbei, nächstes Bild. Völlig gaga.
Danach kam ich dann über eine nette Brücke und kurz darauf war erstmal wieder – richtig! – Landstraße angesagt.
An einigen Stellen konnte ich dann sehen, dass ich zu früh hier war. Neben einigen Straßen war der Radweg schon in der Mache, aber leider halt noch nicht fertig.
Bummelig zur Hälfte der geplanten Strecke für heute wollte ich den Coop in Häädemeeste anfahren, Zuckerwasser und Zimtschnecke natürlich. Pustekuchen! Keine kalten Getränke, keine Zimtschnecke. Und auch kein Lakritzeis. Verdammt. Also Pitsarull (Pizzabrötchen) und warme Cola. Hilft nix. Muss rein. Und weiter geht’s, noch 25 Kilometer zur Grenze. Tja und dann… dann war sie da. Die Grenze. Also ich wäre fast drüber gefahren ohne es zu merken. Aber ich konnte dann dieses große Schild Latvia dann zum Glück doch noch entdecken. Noch ein Blick zurück nach Estland und das war’s dann. Auf Wiedersehen Estland, wir haben uns nicht zum letzten Mal gesehen!
Wie großartig ist das bitte? Keine Kontrolle, nix, einfach weiterfahren. Ich bin zutiefst von der europäischen Idee überzeugt. Das ist mir da heute nochmal bewusst geworden. Lasst uns alle daran arbeiten, dass sich das bitte nie wieder ändert – gerade mit dem Blick auf die heutigen Wahlen!
Der Blick in Lettland ändert sich direkt ein bisschen, es ist alles nicht mehr ganz so schick wie zuvor, auch wenn sich am grundlegenden Tenor nichts ändert. Interessant auch das erster Geschäft hinter der Grenze, ein Outlet.
Ich hab ja schon einige Outlets gesehen, aber ein Outlet für Sprit?! Ist auf jeden Fall was los da…
Kurz danach sollte es laut Beschreibung in der Karte einen Parallelweg zu der stark befahrenen Schnellstraße geben. Den Einstieg konnte ich aber leider nicht finden. Hmm. Etwas später als auf der Karte aber dann doch, zum Glück. Und der Weg war… abenteuerlich. Als erstes kamen mir vier Pferde entgegen und auch danach wartete ich für ganze Zeit darauf, dass Robin Hood hinter einem Baum hervorspringt und ruft: „Ah, edler Radwandersmann! Wohin des Weges?“
Und auch dieser Weg hatte immer wieder sandige Abschnitte, die echt bescheiden zum Fahren waren. Das ist dann wie Glatteis. Du weißt nie, wann dir das Heck weggeht. Dabei konnte ich dann aber die eMTB (Elektro-Mountainbike) Einstellung des Rades testen und mit der ging es dann schon. Das hat sogar etwas Spaß gemacht. Ohne Gepäck wäre das sogar richtig launig gewesen!
Dann kam ich am Campingplatz an, wobei ich heute nicht zelten wollte. Der Rücken hat gezwickt heute morgen beim Zeit zusammenlegen und die Feuchtigkeit der letzten Nacht hat alles ewig verzögert. Nee, heute mal wieder ins gemachte Nest. Dachte ich. Denn in meiner kleinen Hütte fand ich als erstes… Bettzeug. Genau. Selber beziehen. Oaaarrrr. Naja, morgen muss ich trotzdem kein Zelt zusammenlegen. Also alles gut.
Jetzt sitz ich auf meiner kleinen Veranda, sehe die Sterne – bei denen mir heute als erstes der Gedanke an unsere europäische Flagge kommt – freue mich über offene Grenzen und über meine heutigen gut 83 km, die längste Etappe bisher für mich.
Gesamtanstieg: 188 m
Gesamtzeit: 04:40:50
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