Der Tag off tat gut, glaube ich. Auf jeden Fall ging es mit frischem Elan heute morgen los. Ich bin sogar recht zeitig hoch für meine Verhältnisse. Zum Frühstück gab es wieder Pancakes, garniert mit Früchten drum herum – durchaus was für’s Auge.
Alles war verpackt, es konnte losgehen. Nee, erst noch am Sattel friemeln. Ich hatte gestern noch ein, zwei Sachen gelesen, wie ich vielleicht meine Nacken- und Knieschmerzen in den Griff bekommen könnte. Macht bisher einen ganzen guten Eindruck. Knie passen – wobei unklar ist, ob da einfach der Tag Pause die Lösung war – und der Nacken ist besser, es tritt jetzt erst viel später auf.
Maik hatte mir getextet, dass die vorgeschlagene Route wieder mal quasi nicht fahrbar ist, reine Wellblech-Oberfläche. Hatte ich mir schon fast gedacht, war sie doch gestrichelt markiert in meinem Kartenmaterial. Okay, also außen rum über die Schnellstraße. Da ich aber noch zu der in der Karte verzeichneten Holocaust-Gedenkstätte wollte, musste ich dann doch irgendwann auf die Rippelstraße.
Zwischendurch hatte ich immer wieder das Gefühl, dass irgendwas bremst. Es hörte sich auch so an, als ob immer mal wieder was schleifen würde. Mmmh, merkwürdig. Kurz vor Ende der Schotterpiste hielt ich an, das ging so nicht weiter. Überall geschaut und dann sah ich, dass das hintere Schutzblech auf dem Reifen auflag. Wie kann das denn sein? Hab ich ne Acht im Reifen? Sah nicht so aus. Okay, alles Gepäck abgeschnallt und dann Ursachenforschung. Aha! Der Gepäckträger ist links gar nicht mehr festgeschraubt… Öhm, doof, weil gar keine Ersatzschraube am Mann. Und jetzt? Google sagt noch 13 km bis zum Fahrradladen, das’s zu weit! Okay, vielleicht eine Schraube vom Lowrider vorne, der trägt ja nix… Zu klein! Also ginge irgendwie, aber kann auch sofort verloren gehen… Dann habe ich zum Glück entdeckt, dass der Ständer genau die gleiche Größe an Schrauben hat – und er hat auch noch zwei davon! Da wird er mir doch sicherlich mal eine leihen können… für 13 km zumindest. Alles wieder rauf und… läuft wieder wie ne Eins!
Nachdem ich bisher im Schwerpunkt nur geradelt bin, wollte ich endlich mal mehr anschauen als nur Strände und Wälder. So kam ich dann an der Gedenkstätte an und las erstmal die Hinweistafeln dazu. Keine leichte Kost. In Liepaja starben von 1941 bis 1945 über 19.000 Menschen, im Schwerpunkt in den letzten Tagen des Juni 1941, als die Nazis Libau, wie Liepaja damals hieß, einnahmen. Die Gedenkstätte ist in Form einer Menora aufgebaut. Den Weg dorthin ist mit Säulen gesäumt, die den Namen derjenigen tragen, die in der Region mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“ geehrt wurden.
Dann fuhr ich weiter, Maik hatte mir noch einen Tipp geschickt. Kurz darauf kann ich zu einer ehemaligen (sowjetischen?) Batterie-Stellung an der Küste, die sich das Meer teilweise zurückgeholt hatte.
Dann fuhr ich durch den Stadtteil Karosta nach Liepaja hinein. In diesem Stadtteil steht eine orthodoxe Kathedrale – sehr schön, aber auch sehr skurril inmitten der Plattenbauten.
Ich dankte Maik noch für den Tipp, woraufhin der schrieb, dass er jetzt gerade in Liepaja in der Pizzeria wäre, ich könne ja dazu kommen, wenn’s passt. Hmm, wäre witzig, aber jetzt irgendwo in Liepaja eine Pizzeria suchen… weiß nicht. Erstmal zum Fahrradhöker, ich brauche erstmal diese Schraube! Und wie es der Zufall so will – kein Witz! – ist diese Pizzeria direkt gegenüber. Da lehnt ein Fahrrad an der Wand… das kennst Du doch?!
Na denn, ist ja schon später Nachmittag, dann gibt’s halt Pizza zum Abendessen! Hat sogar was getaugt! Er hat mir dann von seinem gestrigen Tag und seinem Host erzählt und ich ihm dann meine Pläne für die nächsten Tage. Durch ein neues Visum für Kaliningrad, das man jetzt online beantragen kann, hat er sich entschieden, das noch anzugucken. Bei mir bleibt’s dabei, ich fahr außen rum. Da er dann aber im Anschluss in meiner Gegenrichtung unterwegs sein wird, könnte es gut sein, dass wir uns in Polen wieder treffen. Wer weiß? Witzig wär’s…
Ansonsten hat mich Liepaja nicht so von den Socken gehauen, somit war ich mit meiner Entscheidung ganz zufrieden noch nach Süden weiter rauszufahren, um dort einen Campingplatz zu finden. Dank der Pizza kam ich etwas später an, als ich eigentlich wollte, aber nun gut – man muss die Feste feiern wie sie fallen!
Ankommen, einziger Gast! Eigentlich schon zu, glaube ich. Aber sehr netter Vermieter, er hat sogar extra nochmal den Warmwasser-Boiler aufgedreht, so dass ich nach einer Stunde Wartezeit auch warm duschen konnte.
So geht ein rundherum schöner Tag zu Ende, an dem die 81 km auch gar nicht so weh taten.
Gesamtanstieg: 230 m
Gesamtzeit: 08:53:03
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