Mit etwas Verspätung nun der Bericht über den Samstag. Die Unterbringung ist Ventspils war sehr gut, das Zimmer hatten einen separaten Außeneingang und war durchaus geräumig. So brauchte ich mein Gepäck gar nicht weit tragen, um den Otter wieder zu beladen.

Links die Tür führte zu meinem Zimmer

Na denn… los! Die Karte sagte 73 km für heute, das hört sich doch ganz okay an. Gleichzeitig war der Hinweis vorhanden, dass man doch genügend Verpflegung dabei haben sollte, da der nächste Supermarkt erst in 45 km vorhanden wäre. Gesagt, getan. In der Stadt noch schnell einkaufen und es gab sogar Zimtschnecken – hervorragend!

Nach sechs Kilometern hatte ich den Stadtrand erreicht und war mehr als überrascht, als sich herausstellte, dass die Straße nach Süden raus für mich nicht passierbar wäre. Die komplette Straße war weggefräst und wurde gerade auf 24 km neu gemacht. Auf der schmalen Schotterpiste einspuriger Verkehr, keine Chance für einen Fahrradfahrer.

Ab hier 24 km Baustelle

Okay… dann mal eine Alternative suchen. Diese Alternative hieß in dem Fall, dass ich meine eigentliche Route großräumig umfahren musste. Bis zum Einstieg in die andere Strecke waren das somit schonmal acht Kilometer Umweg. Die Ausweichroute waren dann 15 km Schotterpiste, bei uns würde man sowas vielleicht noch als Feldweg bezeichnen. Hier ist sowas offizielle Straße. Entsprechend rege war auch der Verkehr, der da an mir vorbeischoß. Christian aus Jena beschrieb das so, dass ungefähr ab 60 km/h diese Rippel in der Straße nicht mehr zu merken wären. Also mit dem Auto. Mmh, das werde ich wohl nicht schaffen.

Nach den 15 km erreichte ich wieder die Straße, die dann wieder deutlich besser zu fahren war. Gleichzeitig setzte aber auch der Wind wieder ein, aber das war ja absehbar.

Zweimal kamen mir Radreisende entgegen und so langsam war mir klar, dass ich wahrscheinlich der einzige Depp bin, der in dieser Richtung unterwegs ist. Die klugen Köpfe fahren mit dem Wind. Nach wiederum einer Stunde war es erneut einfach zu kalt. Sowie die Sonne von einer Wolke verdeckt wurde, war die Temperatur von vorne gefühlt im einstelligen Bereich, der Windchill-Faktor ist wirklich beträchtlich! Endlich kam mal wieder eine überdachte Bushaltestelle, das sollte dann die Mittagspause werden. Hineingesetzt, was gegessen und dann wieder den zweiten Windstopper übergeworfen. Mit dem war’s eigentlich zu warm, ohne ging’s aber auch nicht. Naja, die verschiedenen Reißverschlüsse geöffnet und dann hatte ich ein vertretbares Setting.

Nach einem Boxenstopp in einem von der Straße abgehenden Schotterweg sah ich einen Radreisenden, der in meiner Richtung unterwegs war. Er war flott unterwegs, also stieg ich auf, fuhr an, in dem Gedanken: der ist gleich neben Dir, da kannst Du dann ein bisschen quatschen. Nach ein paar Minuten schaute ich mich um – weg! Wie schade, hätte ich mal gewartet!

So fuhr ich weiter und ärgerte mich ein bisschen über die vertane Chance. Nach einer Dreiviertelstunde oder so klingelte es hinter mir, da war er wieder. Er ist diese Schotterpiste gefahren, da ging es scheinbar auch längs. Nach ein paar Minuten des nebeneinander Herfahrens und auf Englisch Unterhaltens, stellten wir fest, dass wir beide aus Deutschland kamen. So konnten wir die Unterhaltung dann auch auf Deutsch weiterführen. Er heißt Maik, kommt aus Görlitz und ist ungefähr schon seit vier Monaten unterwegs. Über achttausend Kilometer hat er schon weg! Job gekündigt und auf’s Rad, bis nach Südostasien soll es auf dem Landweg gehen. Beeindruckend! Nach einer Viertelstunde oder so verabschiedeten wir uns, er wollte sich eine Unterkunft für die Nacht suchen. Eine alte Scheune oder sowas sollte es für ihn werden.

Ein paar Kilometer später stellte ich fest, das ich knapp an meiner Ausfahrt vorbei war und drehte wieder um, da kann mir Maik schon entgegen, die avisierte Scheune war nix. Dann fuhren wir zusammen weiter nach Pāvilosta. An meiner Pension angekommen, bot ich ihm an, mit in meinen Doppelzimmer zu übernachten, was ich ja aufgrund meiner Entscheidungsfreude am Tag zuvor gebucht hatte. Er lehnte dankend ab, wollte in Bereich der Dünen nach einem Platz Ausschau halten. Wir tauschten die Nummern aus, dann könnte man sich ja nachher noch auf ein Bier treffen. Nach einer halben Stunde meldete er sich und meinte, dass er das Angebot dann doch annehmen würde, weiterhin kein guter Platz in Aussicht und es sollte ja auch regnen.

Das Hotel hatte mir bereits nachmittags geschrieben, dass das eigene Restaurant wegen einer privaten Feier von 18 bis 24 Uhr geschlossen wäre – und sorry for the music! Aha. Das war ja mit einer der Gründe, warum ich diese Unterkunft ausgesucht hatte. Ich dachte, dann bräuchte ich abends mal nicht suchen gehen. Diese Essensgeschichte läuft irgendwie nicht richtig rund bei mir…

Fünf Minuten zu Fuß war dann das Café Laiva. Cafés sind hier so ein Mittelding aus Café, wir wir es kennen, und Restaurant. Als wir da ankamen war es – natürlich – voll. Es gab noch einen leeren Nebenraum, wo aber sonst niemand war. An einem Vierer-Tisch waren noch zwei Plätze frei und die Beiden, die da saßen, hatten unserer Gespräch verfolgt, ob wir nun in den Nebenraum gehen oder nicht. Das ältere Ehepaar, beide so Mitte fünfzig, kam aus Groningen in den Niederlanden. Sie ist eigentlich Deutsche aus Thüringen, ist aber vor 25 Jahren zu ihm nach Holland. Jetzt hatten sie ihren letzten Abend, sollte es in der Nacht noch nach Liepaja auf die Fähre und dann zurück nach Deutschland gehen. So ergab sich mit den Beiden auch noch ein sehr nettes Gespräch, bis sie dann nach vielleicht zwanzig Minuten aufbrachen.

Maik und ich hatten Pasta und Bier. Er hielt mich dann den Abend frei als kleinen Ausgleich für die Übernachtung. Ein sehr schöner Abend mit einem guten Gespräch, das dann auch bis nach Mitternacht dauerte. Es war gut sich mal mit jemandem austauschen zu können, der mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen hat. Auch wenn seine Art des Reisens sicherlich viel entbehrungsreicher ist als meine. Gab aber auf jeden Fall ein paar gute Tipps für mich, sowohl was das Rad als auch das Radreisen angeht.

Das Regenradar sagte dann heute am Sonntagmorgen, das der Regen gegen Mittag schwächer werden und sich ein trockenes Zeitfenster bis in den frühen Abend ergeben sollte. Maik nutzte die Gelegenheit und ritt gegen elf von dannen. Gute Reise!

Für mich ist heute nach knapp drei Wochen auf dem Rad ein Tag Pause angesagt – auch wenn es schon wieder juckt, hmm, nachmittags regenfrei, da hättest Du die fünfzig Kilometer nach Liepaja auf jeden Fall locker geschafft! Jetzt ist es wie es ist und wahrscheinlich ist es auch sinnvoll ein bisschen zu regenerieren. Die nächsten Tage haben immer wieder Regen im Gepäck und ich bin auch kurz davor die eigentliche Route aus der Karte zu verlassen, da ich bekanntermaßen nicht durch die russische Exklave fahren werde. Auch nach der Umrundung werden sich noch einige Abweichungen und Herausforderungen ergeben, da es im Inland deutlich mehr Höhenmeter zu bewältigen gibt und einige Fähren bspw. über das Frische Haff bereits Ende August den Betrieb eingestellt haben. Somit wird der Tag heute auch dafür genutzt werden, einen Schlachtplan für die nächsten Tage auszuarbeiten. Da der Tag in der Folge ereignislos bleiben sollte, wird es darüber auch keinen Blog-Eintrag geben. Aber wenn Ihr was lesen möchtet, schaut doch mal in den Blog von Maik: www.openupnewhorizons.com

Gesamtstrecke: 78890 m
Gesamtanstieg: 228 m
Gesamtzeit: 06:29:49
Download file: Track_2019-09-07.gpx

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