Mit diesen Worten verabschiedete mich der Typ von der Gepäckaufbewahrung im Hotel. Und er sollte recht behalten.
Der Morgen präsentierte sich mit Sonnenschein, wie der Blick aus dem Hotelfenster zeigte:
Die Fahrt aus Tallinn heraus lief ohne größere Probleme, der Weg war gut zu finden und kurz vor dem Stadtrand sah ich dann auch zum ersten Mal das europäische Radroutenzeichen für den Iron Curtain Trail, was mich mit absoluter Vorfreude auf das, was da vor mir liegt, erfüllte.
Insgesamt ist Tallinn recht modern und man kümmert sich um ein gutes Stadtbild. So werden alte Gebäude nicht einfach abgerissen, sondern clever modernisiert, so dass sich Neu und Alt ganz gut die Waage halten.
Nachdem ich die Hauptstadt verlassen hatte wurde es immer ruhiger und einsamer. Dem Weg konnte ich immer noch sehr gut folgen, alles asphaltiert – hervorragend zu fahren. Nach einer Weile kam ich an eine Kreuzung, an der ich aussuchen konnte, ob ich dem Iron Curtain Trail gemäß Kartenmaterial folge oder aber zur Hauptstraße zurückkehre, die dann als Estnischer Küstenradweg Nummer 1 deklariert war. Der Bauch sagte Hauptstraße, der Kontrollfreak sagte: „Nein, nein, Thomas, Du musst das schon ordentlich machen, so wie es die Karte sagt!“ Also auf geht’s!
Die Wege wurden nach ein paar Kilometern dann Pfade und hatten durchaus was trailmäßiges – wenn man denn zu Fuß unterwegs ist. Ich kam an einen Weg, der ziemlich steil hoch ging. Fahren ging nicht, dass war direkt klar. Okay, also schieben. Bis zur Hälfte, weiter ging’s nicht. Der Bolide wiegt dann doch halt was an die fünfzig, sechzig Kilo. Na gut, dann also Gepäck anschnallen, hochtragen und dann das Gefährt hinterher. Nachdem ich die ersten beiden Taschen oben hatte, könnte ich dann sehen, dass danach direkt die nächste Anhöhe wartete. Hab ich verstanden. Also komplett retour.
Komplett retour hieß dann am Ende etwa 12 km Umweg oder aber 12 km für nichts. Als ich an der Hauptstrasse ankam war das Bild wieder besser, alles asphaltiert, schön stumpf geradeaus. Nach wenigen Metern hatte ich das Gespräch an der Gepäckaufbewahrung wieder vor Augen. „In Estonia we say, the wind is always against you!“. Absolutely! Keine Ahnung wie viele Windstärken das waren, aber ich hatte Mühe und Not auf 10 Stundenkilometer zu kommen. Somit war dann auch schnell klar, dass ich mir mal überlegen sollte, wo ich denn nächtigen will, da das Etappenziel gemäß Karte unerreichbar war. Wenn ich ehrlich bin, war das aber auch ohne den Wind schon vorher klar. Ursprünglich hatte ich mal für den Tag einen Campingplatz in 35 km Entfernung rausgesucht, hatte dann aber spekuliert, dass ich vielleicht doch weiter kommen würde. Am Ende waren es dann ungefähr 59 km, die ihr Ende an einem der öffentlichen Campingplätze der estnischen Forstwirtschaft fanden, der wirklich sehr schön gelegen ist. Mein Zelt steht vielleicht vierzig Meter vom Wasser weg, traumhaft.
Der Preis für den kostenlosen Stellplatz wäre dann wohl das Plumpsklo – was aber dafür sorgt, dass der Platz ein Sternchen von der Forstverwaltung bekommt, denn fast alle anderen Plätze haben angeblich nicht mal das.
Leider ist die Aufzeichnung des Tracks erst nach Tallinn und auch erst nach dieser Anhöhe, bei der ich dann umdrehen musste, gestartet. Warum? Keine Ahnung… Vielleicht habe ich auch in der Aufregung einfach vergessen, das GPS zu aktivieren. Könnte schon sein. Wer weiß…
Gesamtanstieg: 120 m
Gesamtzeit: 02:25:04
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